Sommermond
„Was zum Teufel ist denn passiert? Scheiße, Alex … geht das Ganze jetzt wieder los?“
Alex schwieg einen Moment lang und Ben wusste, dass er ihm den Vorfall mit der Polizei hatte vorenthalten wollen.
„Woher weißt du davon?“, fragte er dann.
„Nicht am Telefon!“, entgegnete Ben. „Also reiß dich jetzt gefälligst zusammen und komm her! Glaub mir! Ich würde kommen, wenn ich könnte.“
„Ich komm‘ später vorbei“, erwiderte Alex.
„Später?“ Bens Stimme überschlug sich fast. Er konnte Alex‘ Verhalten nicht nachvollziehen.
„Ja, später“, betonte Alex noch einmal deutlich. „Deine Eltern samt Anhängsel Nick sind schon auf dem Weg zu dir. Sorry, aber das tu ich mir nicht an! Du kannst dich ja melden, wenn sie weg sind.“
„Sag mal … geht’s noch?“ Ben war außer sich. Da hing ein bedeutendes Thema im Raum und er selbst wäre in der Nacht fast vor Angst gestorben. Und was tat Alex? Der verhielt sich, als sei überhaupt nichts vorgefallen.
„Bis später, Ben…“, waren Alex‘ letzten Worte.
„Aber –“, begann der Dunkelhaarige, doch da ertönte bereits das kontinuierliche Piepen, das ihm verdeutlichte, dass Alex aufgelegt hatte.
Ben war entsetzt, doch viel Zeit darüber nachzudenken, blieb ihm nicht. Im nächsten Moment öffnete sich – wie es im Krankenhausalltag üblich war – schon wieder die Zimmertür. Dieses Mal war es die Visite, die aus der Oberschwester, Melanie, einem Assistenzarzt und dem Oberarzt der Station, den Ben bereits kannte, bestand.
„Guten Morgen, Herr Richter!“, begrüßten sie ihn freundlich.
„Morgen …“, nuschelte Ben. Das Handy ließ er neben seine Beine rutschen.
„Wie geht es Ihnen?“
„Ganz gut“, erwiderte Ben. „Schon wesentlich besser.“
Er versuchte sich zu verstellen, damit man ihm die psychischen Sorgen nicht ansah.
„Das können wir nur bestätigen“, meinte der Oberarzt, während er eine Seite in Bens Akte umschlug. „Wir sind sehr zufrieden mit dem Röntgenergebnis. Ihre Lunge hat sich bestens regeneriert und die Rippenfraktur stellt keine akute Gefährdung mehr dar, solange Sie sich schonen. Die Drainage kann gleich gezogen werden.“
„Gleich?“ Ben konnte nicht verhindern, dass er etwas ängstlich klang. „Tut das weh?“
„Das ziept nur ganz kurz“, mischte sich Melanie ein. „Zumindest laut anderer Patienten.“
„Und wann kann ich nach Hause?“, sprudelte es aus Ben heraus.
„Wir würden Sie gern noch ein paar Tage beobachten. Sie hatten schwere Verletzungen und die OP ist gerademal zwei Tage her.“
Ben stöhnte genervt. Er wollte in die Villa, um mit Alex zu sprechen, und wieder am normalen Alltag teilzunehmen. Hier, im Krankenhaus, fiel ihm die Decke auf den Kopf.
„Je mehr Sie sich schonen, umso schneller können Sie nach Hause“, fügte Dr. Bendfeldt hinzu. Er hatte offensichtlich registriert, dass Ben nicht länger bleiben wollte. „Also, erst mal weiterhin gute Besserung!“
Ben wich dem Blick aus. Im Augenwinkel sah er, dass die weißgekleidete Truppe zurück zur Tür schritt, der Oberarzt dann aber noch einmal stehen blieb. „Ach, Schulte? Könnten Sie eben die Drainage ziehen?“
Der sogenannte „ Schulte“ war der Assistenzarzt, der die Frage bejahte und anschließend zu Ben zurückkam.
„Das tut wirklich nicht weh“, erklärte er, während er Bens Hemd aufknöpfte.
Ben ignorierte ihn und starrte aus dem Fenster. Seine Gedanken schweiften immer weiter ab. Als der Arzt etwas unbeholfen an seinem frischen Verband herumhantierte, richtete er sich etwas auf.
„So …“, murmelte der Arzt.
Er ähnelte noch mehr einem Studenten als irgendeinem Doc, dem man vertrauen wollte. Vorsichtig löste er das Pflaster und legte zwei Finger um den Schlauch.
„Am besten husten Sie jetzt kräftig!“
„Kräftig husten?“, hakte Ben nach. „Das normale Atmen tut doch schon weh.“
„Dann beißen Sie einfach die Zähne zusammen“, gab er zurück. „So! Eins, zwei, zack!“
Ein unangenehmes Ziepen zog durch Bens Oberkörper, gefolgt von einem drückenden Gefühl.
„Das war’s?“, fragte er dann.
„Ja, das war’s. Der Verband kommt jetzt wieder ran.“
„Das war ja gar nicht so schlimm“, meinte Ben.
„Das ist doch super.“
Ben spürte die kalten Hände des Arztes auf seiner Haut. Die Berührung an seinem Rücken bescherte ihm eine ungewollte Gänsehaut.
„Mann, haben Sie kalte Hände“, meinte er zu seiner Verteidigung.
Es war nicht so, dass der Arzt
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