Sommernachts-Grauen
jedenfalls so. Werd doch mal locker.“
„Ich studiere Jura, ich heiße Elena und nein, ich werde mich nicht als Aktmodell zur Verfügung stellen.“
„Das sind aber viele Informationen auf einmal. Okay, fangen wir mal mit dem Namen an. Was ist daran nun so schlimm?“
Reiner hatte sich auf ein Matratzenlager fallen lassen und deutete mir an, mich zu ihm zu gesellen. Mir war das nicht nur unheimlich, weil ich befürchtete, er könnte auf den Gedanken kommen, mit mir schlafen zu wollen, vielmehr hatte ich Sorge um meine Gesundheit. Das Bettzeug schien eine Ewigkeit nicht gewechselt worden zu sein.
„Ich mag ihn nicht. Mein Vater hat ihn ausgesucht, da er angenommen hatte, er würde intellektuell klingen.“
„Das ist ja Schwachsinn.“
„Eben, sag ich doch.“
„Nicht der Name, das andere. Und darum studierst du Jura?“
„Bin ich so leicht zu durchschauen?“
„Lass mich raten, deine Eltern wohnen in einer kleinen Etagenwohnung.“
„Selbst wenn dem so wäre, das ist nichts Ungewöhnliches. Aber so ist es nicht.“
„Es wird sicher in eine ähnliche Richtung gehen, an dir hängt eindeutig noch immer das Spießbürgertum.“
„Weißt du, es ist spät. Ich glaube, ich geh nachhause.“
„Jetzt stell dich doch nicht so an. Du meine Güte. Weißt du was, um die Ecke gibt es noch einen Imbiss, der hat lange auf. Gehen wir doch was essen.“
Kapitel 6: Hunger
Während Ella sich auf den Weg zur Tür machte, war Susi dabei, mit dem Nachbarn zu flirten, indem sie ihn direkt ansah, ihm die Flasche, die mittlerweile leer war, entgegen hielt um ihm zuzuprosten, was dem Nachbarn offensichtlich Freude bereitete und er sich beinah angeregt nonverbal mit ihr unterhielt.
„Reiner, was für eine Überraschung.“
Ella trat zur Seite, um ihn herein zu lassen. Er kam auf sie zu und nahm sie eng in seine Arme, sodass ihr das Badelaken verrutschte. Als er sich von ihr löste, stand sie mehr oder weniger nackt vor ihm.
„Soll ich dich jetzt etwa malen?“
Noch immer hatte sie sich nicht dazu bereit erklärt, obwohl sie sich nach nur wenigen Monaten inzwischen sehr gut kannten und Ella sich eingestehen musste, dass Reiner trotz seiner teilweise schrulligen Art ein guter Freund geworden war, dem sie sich gern anvertraute.
Sie fragte sich jedoch, wie Reiner es anstellte, meist dann vor ihrer Tür zu stehen, wenn sie gerade fertig gekocht hatte, oder aber das Essen auf dem Tisch stand. Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, würde sie behaupten, dass er es bis zur Admiralitätsstraße riechen konnte. Nie wäre sie auf den Gedanken verfallen, ihn wieder nachhause zu schicken, zumal sie immer so viel kochte, dass es für zwei reichte, auch wenn sie sich eigentlich vorgenommen hatte, die zweite Portion für den nächsten Tag aufzusparen.
Teilweise sah sie ihn daher täglich, was ihr nur selten zu viel wurde. Sie hätte nichts dagegen gehabt, wenn Reiner ihr Untermieter gewesen wäre, obwohl sie wusste, dass er so gut wie kein Geld zur Verfügung hatte und Claus bisher ein korrekter Mitbewohner gewesen war, der nie die Miete schuldig blieb.
Im Grunde genommen war es mit Claus so, als würde sie noch immer allein wohnen. Außer einem ewig überfüllten Aschenbecher in der Küche, hinterließ er keine Spuren seiner Existenz. Nie musste sie ihn darauf aufmerksam machen, dass er mit der Reinigung der Küche und des Badezimmers an der Reihe war.
Dabei hatte sie den Eindruck, dass er die Küche selbst kaum nutzte, außer zum Rauchen. Ihr blieb es schleierhaft, wie er es schaffte, in der kurzen Zeit, in der er in der Wohnung war, derart viel zu rauchen. Oder war er nicht allein? Sie hätte es nicht sagen können.
Reiner war auf seine, ihm eigene Weise unglaublich liebenswert. Er konnte sogar fürsorglich ihr gegenüber werden, wobei sie wusste, dass er rein gar nichts uneigennützig tun würde. Am Ende lud Ella ihn zum Essen ein, bezahlte ihm in der Kneipe ein Bier oder ließ ihn ab und zu ihr Bad benutzen. Teilweise schlief er sogar bei ihr, wenn sie den letzten Film vor der Sendepause gesehen hatten und es so spät geworden war, dass sie ihn nicht in die Kälte und in sein ungemütliches Zuhause schicken wollte.
Auch wenn er nie versuchte, mit ihr zu schlafen, und Ella zwischendurch glaubte, er könnte schwul sein, ging er doch so mit ihr um, als wären sie ein Paar. So küsste er sie gern auf den Mund und das nicht nur, wenn sie allein waren. Ella hatte sich so sehr daran gewöhnt, dass es ihr nicht
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