Sommernachts-Grauen
sie Susi gleich in ihre Arme nehmen.
Rund um den Neuen Pferdemarkt bevölkerten noch immer Menschen, die keinen Schlaf finden wollten, die Kreuzung. Von dem Überfall war mittlerweile nichts mehr zu bemerken. Die Polizei war schon lange verschwunden. Nur das ‚Pickenpack‘ hatte man vorsorglich geschlossen, was allerdings niemanden davon abhielt, vor der Tür weiter zu feiern und Bier zu trinken.
Obwohl Ella den Türsteher des ‚Stairways‘ fragte, ob er Susi gesehen hatte und er meinte, er könnte sich nicht erinnern, sie nochmals in der Nacht gesehen zu haben, wollte sie sich selbst überzeugen. Im Inneren trennte sie sich von Meier, um die Räumlichkeiten schneller durchsuchen zu können. Ella quälte sich gerade durch eine Masse von Mensch, die ausgelassen zu ‚That’s Good‘ von Devo tanzte. Ein Lied bei dem Ella selbst nicht hätte still stehen können. Sie aber nahm die Musik kaum war, nur das Wummern der Bässe dröhnte in ihrem Brustkorb. Schweiß rann ihr den Nacken hinunter.
Hatte sie vor einigen Stunden eher angewidert Susi dabei beobachtet wie sie sich von Thomas küssen ließ, hoffte sie jetzt geradezu jeden Moment, ihre Freundin in den Armen eine Mannes wiederzufinden. Selbst Reiner war wie vom Erdboden verschluckt, der wäre sicher nicht von ihrer Seite gewichen. Warum auch immer, dachte sich Ella, er plötzlich eine derartige Fürsorge Susi gegenüber entwickelt hatte.
„Lass uns zur Ecke fahren“, hatte Ella gesagt, nachdem sie Susi auch im ‚Madhouse‘ nicht hatten finden können, ebenso wenig wie Ulli, von der Ella noch immer hoffte, dass sie nichts mit all dem zu tun haben würde.
„Was, wenn sie bereits zu Hause ist?“, gab Meier zu bedenken.
„Das würde sie nie machen. Wir treffen uns grundsätzlich zum Abschied irgendwo. Zur Not dann in der Ecke. Da wird sie ganz sicher auf uns warten.“
„Und wenn sie mit jemandem mitgegangen ist?“
„Eher unwahrscheinlich, denn auf Thomas schien sie ja plötzlich keinen Bock mehr zu haben. Ich tippe eher darauf, dass Reiner sie mit seiner Anwesenheit nervt.“
Ella musste anfangen zu lachen. Immer wieder kam ihr das alles absolut lächerlich vor. Sie redete sich ein, dass Susi nichts passiert sein konnte, da Reiner schließlich in ihrer Nähe war. Der würde auf sie aufpassen. Aber war es überhaupt notwendig? War Susi tatsächlich in Gefahr? War sie selbst in Gefahr?
Ihre Gedanken kreisten wild in ihrem Kopf und sie glaubte langsam, verrückt zu werden. Sie zwang sich, an etwas anderes zu denken.
„Ich habe vorhin Heiko auf der Straße getroffen. Der Arme suchte noch immer nach deiner Schwester.“
„Er wird sie sicher nicht gefunden haben.“
„Was ist der eigentlich für ein Typ? Ich meine, bist du mit ihm befreundet?“
„Nein, das bestimmt nicht. Wir sind Arbeitskollegen. Mehr nicht.“
„Aber warum hat er bei dir deine Schwester treffen können?“
„Wir wollten eines Tages mal ein Feierabendbier zusammen trinken und ich musste vorher nach Hause, mich umziehen und noch etwas Geld einstecken.“
„Wie ist denn die Arbeit im Hafen sonst so?“
„Sag mal, willst du das jetzt echt alles wissen?“
„Ja klar.“
„Ella, verarsch mich nicht.“
„Ich habe einfach Angst und versuche, nicht dran zu denken.“
„Alles wird sich aufklären, du wirst sehen. Das alles hat nichts mit dir zu tun, du brauchst dir keine Gedanken zu machen.“
Meier fand eine Parklücke quasi direkt vor der ‚Ecke‘. Das Klappen der Autotüren erzeugte ein Geräusch, das beide erschreckte. Aber beide überspielten ihre Gefühle. Bevor sie die ‚Ecke‘ betraten, zog Meier Ella an sich, drückte sie fest und gab ihr einen Kuss.
„Du brauchst wirklich keine Angst zu haben. Nichts wird passieren.“
In der Kneipe war noch immer Betrieb, wenn es auch deutlich leerer geworden war und sie sogar an einigen Tischen Platz gefunden hätten. Ella sah sich um. Susi und auch Reiner waren nicht zu sehen. Sie gingen an den Tresen und Ella fragte Martin, ob Susi in letzter Zeit hier gewesen sei.
„Keine Ahnung, das war hier bis eben noch brechend voll. Wie hätte ich sie da sehen sollen?“, war seine Antwort.
Meier bestellte zwei Bier und setzte sich auf einen Barhocker. Neben ihm hatte es sich ein Mann mit dem Kopf auf der Theke bequem gemacht.
„Ich geh und schau mal auf dem Klo, nur für alle Fälle“, sagte Ella.
Die Toilette war vollkommen verwaist. Ella hatte beide Kabinen kontrolliert und sich dann in eine begeben.
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