Sommernachts-Grauen
weg. Ich möchte erst wieder rauskommen, wenn die Sonne scheint.“
Ohne weiter miteinander zu sprechen, verließen sie die Toilette. Meier ging an den Tresen und bezahlte das Bier, während Ella bereits auf dem Weg zur Tür war.
Ella hatte keine Ahnung, an welchen Ort Meier sie führen würde und es war ihr vollkommen gleichgültig. Sie versuchte, nicht an Susi zu denken, nicht daran, dass sie selbst das nächste Opfer sein sollte. Ihr Körper hatte angefangen zu zittern. Sie fror erbärmlich, war unglaublich müde und wäre am liebsten ins Bett gegangen, hätte sich die Decke über den Kopf gezogen und an Meier gekuschelt. Trotzdem ängstigte sie der Gedanke, einfach nach Hause zu gehen, als ob der Täter dort bereits auf sie warten würde und sie keine Chance hätte dem zu entkommen.
Wer war nur hinter ihr her? Wer konnte so pervers sein und sie die ganze Nacht jagen? Wer wusste, wo sie sich befinden würde? Wurde sie etwa die ganze Nacht verfolgt?
Sie sah zu Meier, der seinen Blick auf die vor ihm liegende Autobahn gerichtet hatte. Er hatte sich die Sonnenblende herunter geklappt, dabei hatte die Dämmerung gerade erst begonnen. Die Sonne war noch lange außer Sichtweite, aber der Himmel am östlichen Horizont war bereits hellblau erleuchtet.
Könnte Meier mit der ganzen Sache etwas zu tun haben? Er war schließlich meist in ihrer Nähe gewesen. Aber wann hätte er dann Susi etwas antun sollen? Das ergab doch alles keinen Sinn. Langsam drehte sie durch.
Erschöpft legte sie den Kopf an den Holm und schloss ihre Augen. Meier legte eine Hand auf ihr Bein und rieb daran, da es eiskalt war.
„Wir sind gleich da“, sagte er, während sie lediglich mit dem Kopf nickte, die Augen dabei nicht öffnete und darauf hoffte, einfach einzuschlafen.
Kapitel 19: ‚Garbers‘
Als Ella ihre Augen wieder öffnete, fuhren sie gerade eine schnurgerade Straße entlang. Sie glaubte, dass sie die Stadt verlassen hätten, denn links und rechts zogen sich Felder und Wiesen hin, soweit sie sehen konnte. Kein Haus war zu sehen. Kein Mensch auf der Straße. Wo hatte Meier sie hingeführt?
Plötzlich war sie hellwach und sah ihn an.
„Bist wohl ein bisschen eingenickt“, sagte Meier.
Sie sah aus dem Fenster. In dieser Einöde würde sie nie jemand finden. Hier würde sie sterben, ohne dass jemand davon Notiz nahm, wenn sie um ihr Leben schrie.
„Wo sind wir?“
„In den Vierlanden “
Ella hatte davon gehört, dass dieser Teil Hamburgs durchaus noch zur Stadt gehörte, der sich aus mehreren alten Dörfern zu den Vierlanden zählte.
„Und was wollen wir hier?“
Allein das Aussprechen ihrer Frage ließ ihren Körper erschauern. Wie konnte sie ihn davon abbringen, sie zu töten?
„Du hast doch gesagt, dass du weit weg möchtest. Hier wird dich keiner vermuten.“
Genau das befürchtete Ella.
„Wo wirst du mich denn hinbringen?“
„Zu ‚Garbers‘.“
„Vielleicht sollten wir doch irgendwo hinfahren, wo mehr Menschen sind.“
„Konnte ich mir denken, dass du den Laden nicht kennst. Woher auch.“
„Was ist das denn?“
„Das ist eine Kneipe, an der am Wochenende getanzt werden kann. Früher gab’s hier auch Konzerte. Für die Dorfjugend ist das das Einzige, was es hier gibt.“
„Und woher kennst du das?“
„Ist ‘ne längere Geschichte, hat mit ‘ner Frau zu tun.“
„Und lebt sie noch?“
„Davon würde ich ausgehen. Was ist denn das für eine blöde Frage? Warum sollte sie nicht mehr leben? Sie war genauso alt wie ich.“
„Warum war? Was ist denn mit ihr passiert? Sag mir bitte die Wahrheit.“
„Sag mal, spinnst du jetzt vollkommen?“
„Kannst du es mir nicht sagen, oder willst du es nicht?“
Meier schüttelte den Kopf.
„Wir sind da.“
Aus lauter Furcht um ihr Leben, hatte Ella nicht bemerkt, wie sich links und rechts Häuser statt der Eintönigkeit der Felder erhoben hatten. Am Straßenrand standen überall Autos, zwischen ihnen jedoch schon einige Lücken. Meier parkte und stieg aus. Ella hatte Angst, den Wagen zu verlassen. Was sollte sie jetzt machen?
„Kommst du nun, oder was willst du?“, fragte Meier, der um den Wagen herumgegangen war, um ihr die Tür zu öffnen.
„Die Frage ist doch, was du willst?“
„Wie, was ich will? Sag mal Ella, was soll das werden? Du wolltest, dass ich dich weit weg bringe. Was passt dir daran jetzt nicht mehr?“
Ella sah ein, dass es keinen Zweck hatte, ihm zu widersprechen. Vielleicht waren ja in der Kneipe noch
Weitere Kostenlose Bücher