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Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Donohue
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verbrachten sie einen Nachmittag im Kino. Alice im Wunderland begeisterte sie, als das Mädchen im Häuschen gefangen war und durch das winzige Fensterchen nach ihrem Wunderfächer greifen musste. Aber in derselben Vorstellung lief auch Edisons Electrocution of an Elephant , und sie weinte in dieser Nacht im Schlaf, als sie sich an die Rauchwolke erinnerte und daran, wie das Tier sofort umfiel, als die Volt durch seinen Körper pulsierten. Sie wünschte, Pat läge mit ihr im Bett, um sie in den Armen zu halten, wie er es im dunklen Vorführsaal gemacht hatte. Sie träumte oft von ihm, wachte in heißen Nächten schweißgebadet auf und überlegte, wie er sie berühren und was er mit ihr tun werde, wenn sie erst einmal verheiratet sein sollten.
    In Sepiatönen verlassen die Jungs, immer noch in ihren Trikots, den Park und besteigen einen von Pferden gezogenen Omnibus. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite werben in den Schaufenstern Modistinnen, Kurzwarenhändler und die wohltätige Temperenzgesellschaft von Chicago. Das Spiel ist aus, und die Pirates machen sich in guter Stimmung auf den Weg zum Hotel. Zwei der jungen Männer stehen auf dem Trittbrett des Wagens, und als der loszuckelt, vollführen sie eine Arabeske, als wollten sie davonfliegen. Claude Ritchey , second base . Jimmy Sebring , outfield .
    Am Morgen des Unabhängigkeitstages stand Pat auf Adeles Schwelle, um sie zum Spiel gegen Philadelphia, die Schwächsten der National League, mitzunehmen. Adeles Vater öffnete auf sein Klopfen hin die Tür, und aus ihrem Schlafzimmer im ersten Stock konnte sie den heftigen Wortwechsel der beiden Männer verfolgen. Mr. Hopkins, Buchhalter bei der Stadtverwaltung, war ein kleiner, überkorrekter Mann, der nie Gefühle zeigte, doch seine Stimme, die zu Anfang sanft und angenehm klang, wurde wegen Pats dröhnender Antworten auf seine Fragen immer erregter. »Nein«, sagte Pat gerade, »das habe ich nicht.« Sie schnürte rasch ihr Korsett zu und streifte das Kleid über, um nach unten zu eilen und dazwischenzugehen. Oben auf der Treppe hörte sie Pats beklommene Antwort auf die hartnäckige Frage ihres Vaters: »… aber ich habe heute noch keinen einzigen Tropfen getrunken, Mr. Hopkins, ich schwöre es bei Gott. Es ist doch noch nicht einmal Mittag.«
    Adele sauste die Stufen hinunter und stellte sich zwischen die beiden Streithähne. Da sie jeder Anflug von Uneinigkeit nervös machte, sah sie ihren Verehrer gar nicht, sondern richtete ihre ganze Aufmerksamkeit sofort auf ihren Vater, um ihn zu beschwichtigen.
    »Papa, mein Lieber, ich hatte keine Ahnung, dass du heute zu Hause bist. Wie schön!« Sie küsste den alten Mann auf die Wange und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er schmiegte seine Hand auf ihre und küsste sie auch. Dann und erst dann sah sie Pat Ahearn an und bemerkte mit Schaudern den schmalen senkrechten Strich, der seine Lippe zerteilte. Das Blut war zu mattrotem Schorf geronnen. Sie hob die Hand an den eigenen Mund und fand nicht einmal Worte für eine einfache Begrüßung. Keiner der beiden Männer war in der Lage, einen eleganten Ausweg aus ihrem Streit zu finden; und sie stünden wohl bis heute dort, stumm wie ein dreibeiniger Schemel, wäre nicht der Hund in den Salon spaziert und hätte mit wildem Schwanzwedeln eine Begrüßung eingefordert. Pat bückte sich und kraulte die Promenadenmischung hinter den Schlappohren, wobei er »Braves Mädchen, so ein braves Mädchen« gurrte. Adele setzte sich ihr Hütchen auf und schlang, die Fensterscheibe als Spiegel nutzend, die Bänder zu einer Schleife, gab ihrem Vater gleichzeitig einen Abschiedskuss und versprach, pünktlich zum feierlichen Abendessen zu Hause zu sein, um am Abend die Kanonenschüsse zu hören und das Feuerwerk anzuschauen, wie sie es seit ihrer frühesten Kindheit an jedem Vierten Juli taten.
    Ein Mann mit breitem Gesicht zeigt, wie es ihm mit seinen langen, gekrümmten Finger gelingt, gleich vier Baseballs in einer Hand zu halten. Ed Phelps , catcher . Vier junge Männer, drei Rechtshänder und ein linkshändiger Werfer, kommen ins Bild und tun so, als würfen sie die Pille durch die Linse der Kamera genau auf uns. Als sie mit ihren Wurfbewegungen aufhören, lächeln drei von ihnen verlegen: Deacon Phillippe , Sam Leever , Brickyard Kennedy , pitchers. Nur der vierte, der Linkshänder Ed Doheny , bleibt todernst. Er hat etwas Seltsames im Blick.
    Im Stadion kam Adele endlich dazu, Pat nach dem Streit mit ihrem Vater zu

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