Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)
alle.«
»Rundherum und rundherum und rundherum«, sang der Kleine auf dem Schoß des alten Mannes. Ich hatte vergessen, dass er sprechen konnte.
Die Hitze in diesem Sommer machte jeden fast verrückt. Nicht allein die Temperaturen, so brutal sie auch waren, sondern auch die Hitze in der Stadt, die von den Stahlwerken entlang des Flussufers erzeugt wurde und von den Koksöfen, die Tag und Nacht brannten. Man nannte Pittsburg »Hölle ohne Deckel«, und als die Julihitze kam, wurden die Rauch- und Rußwolken immer dichter, sodass die Sonne wie durch eine Wolldecke hindurchbrannte. Die neuen Millionäre, deren Häuser die Straßen Fifth und Forbes in den Vororten von Oakland säumten, flohen an die Großen Seen oder an die Atlantikküste. Die Arbeiter suchten Linderung, wo sie nur konnten.
Pat und Adele fuhren hinaus zu dem neuen Zoo in Highland Park oder sie machten einfach ein Picknick in den umliegenden Wäldchen. An manchen Nachmittagen wanderten sie zwischen moderner Kunst im Carnegie Museum umher oder in der kühlen Pracht des Phipps Conservatory. All das war neu, ein Zeichen für das Geld, das aus den Strängen von Roheisen und den Bändern aus geschmolzenem Stahl geprägt wurde, und für die Freigiebigkeit der Bürger und Stahlbarone. Der Baseballclub ging auf eine Tour in den Westen, nach Cincinnati, Chicago und St. Louis, die einen Monat lang dauerte, sodass die Ahearn-Brüder Zeit für etwas Sport hatten. Pat, Adele, Christy und Helen sprangen in den Zug zum Carnegie Lake und badeten mit den Massen von Schwimmern, die sich dort eingefunden hatten. Männer mit Karren verkauften Sandwiches und eisgekühltes Fassbier, und die Brüder tranken Becher um Becher, um kühl zu bleiben. Der Anblick der beiden Frauen in ihren Badeanzügen erhitzte die beiden Ahearn-Brüder beträchtlich. Im Schutz des Wassers drückte Pat Adele an sich, und als sie spürte, das sich etwas an ihrem Schenkel rührte, war sie erregt und entsetzt zugleich; doch sie war nicht so dumm, ihn wegzustoßen, sondern ließ ihn sich an sie pressen, bis er es nicht länger aushielt und unter gemurmelten Flüchen wie ein Wahnsinniger davonschwimmen musste. Später am Abend, nach dem Abendessen und bei einer Partie Rommé im Sommersalon im Hause der Hopkins tauschten Adele und Pat wissende Blicke, als Mr. Hopkins sie fragte, wie denn heute das Wasser gewesen sei.
»Voll«, sagte Christy. »Die Leute tun ja alles, um der Hitze zu entfliehen.«
Mr. Hopkins wischte sich die Stirn mit einem Taschentuch, blieb am Tisch stehen und wedelte mit seiner Zeitung. »Habt ihr von Doheny, dem Pitcher, gehört? Die Zeitung sagt, er sei verrückt geworden. Er hat die Pirates Hals über Kopf verlassen und ist heim nach Massachusetts gefahren.«
Christy, der plötzlich munter wurde, sagte: »In der Post hieß die Schlagzeile heute Morgen: ›Wohl nicht ganz richtig im Kopf‹. Versicherungsdetektive verfolgen ihn bereits.«
Pat legte eine Karte ab. »Man darf nicht immer glauben, was in der Zeitung steht. Eddie Doheny ist Linkshänder, und bei einem Linkshänder kann man sich nie sicher sein. Er war immer schon reizbar. Erinnert ihr euch noch daran, wie er im Mai einen Schläger nach dem Catcher der Giants geworfen hat?«
»Na, ich weiß nicht, Jungs.« Mr. Hopkins stopfte sich sein Tuch in die Gesäßtasche. »So wie es aussieht, stehen die Pirates vor dem Untergang. Clarke ist verletzt, und Sebring geht weg, um zu heiraten. Und jetzt hat dieser Mann den Verstand verloren. Es scheint, als hätten sie bald nicht mehr genug Leute für eine Mannschaft.«
»Vielleicht nehmen sie dich unter Vertrag, Papa«, sagte Adele lachend.
»Ich glaube, Doheny ist einfach erschöpft von der Hitze«, sagte Pat. »Er braucht nur ein paar Tage zu Hause mit seiner besseren Hälfte, um sich abzukühlen.«
Seine Bemerkung entlockte Mr. Hopkins ein Grunzen, ehe er nickte und aus dem Salon schlurfte, wobei sein Tuch hinten wie ein Kaninchenschwanz wippte.
»Erzähl den Mädchen, was Honus im letzten Sommer gemacht hat«, sagte Christy, »als es so heiß war.«
»Letzten Sommer waren die Pirates die Besten. Niemand konnte sie schlagen, so eine gute Mannschaft waren sie. Jedenfalls wird es September, und es scheint sicher, dass sie den Meisterschaftswimpel der Liga gewinnen. Darum sagen einige meiner Kumpel, dass sie zum Carnegie Township rausfahren wollen, wo Honus Wagner lebt; sie wollen dem Holländer eine Kiste Zigarren überreichen und die besten Steaks, die sie finden
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