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Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Donohue
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Rasen herumtollten. Man hatte sie gewarnt, dass die Gespräche auf der Tribüne mit einer gehörigen Prise rüder Sprache gewürzt seien, und es fielen einige Worte, von denen sie nie gedacht hätte, dass sie sie je hören würde. Und immer wieder fühlte sich einer der Gentlemen genötigt, dem Gegner etwas Abfälliges zuzurufen. Die Fans jubelten bei jedem out für New York und buhten, wenn der Schiedsrichter anders entschied. Das ganze erste inning verlief, ohne dass sie etwas mitbekam. Es geschah einfach zu viel, und der Mann neben ihr verwirrte sie.
    Das Flüstern, das von gegenüber aus der engen Nische zwischen Badewanne und Waschbecken drang, wurde lauter. Jane beratschlagte mit Alice über eine geheimnisvolle diskrete Frage, doch ihr Gespräch war so lebhaft geworden, dass es die sich entfaltende Baseballromanze übertönte. Zum Zeichen seiner Missbilligung räusperte sich der alte Mann.
    »Wer bist du eigentlich, dass du da deine Nase reinsteckst?«, fragte ihn Alice.
    »Ja, zieh Leine, Alter, und nimm die kleine Sabberschnute mit!«, rief ihm Jane mit funkelndem Blick zu.
    Er hob das Kind sanft von seinem Schoß und setzte es auf den Boden. Im Laufe dieser letzten Geschichte hatte der Junge die Kappe gestohlen, die er nun verkehrt herum auf dem Kopf trug. Der alte Mann ergriff das Revers seines weißen Bademantels, streckte sich und wippte zweimal auf den Fußballen, wobei er sich herausfordernd in die Brust warf. »Ladys, es gibt keinen Grund für diese Art von Unruhe. Adele hat jetzt das Wort, ebenso wie ihr es hattet, und wir schulden einander ein Mindestmaß an Respekt …«
    »Hört, hört«, ergänzte Dolly.
    »Und was, wenn ich fragen darf, ist das Thema eures privaten Disputs?«
    Die beiden schauten mit einer Mischung aus Verachtung und Mitleid im Blick zu Adele. Jane legte den Arm um Adeles Schulter. »Wir sprachen nur über die traurige Lage des Feminismus, und was es für eine Schande ist, über einen Mann in Verzückung zu geraten, und dann noch über so einen.«
    Auf den Kacheln flackerte Licht, die Musik setzte mit disharmonischen Tönen ein, als liefe eine Katze über eine Klaviatur, und dann begann wieder der Stummfilm. Eine Totale des Stadions, aufgenommen von einem Hügel, der alles überblickte, ging über in einen Schwenk vom outfield zum infield . Männer in schlabberigen Trikots rannten von base zu base und spielten ground balls und double plays . Vor diesem Hintergrund nahm Adele ihre Geschichte an der Stelle wieder auf, an der sie von ihren zynischeren Schwestern unterbrochen worden war.
    Dieses erste Spiel – dieser ganze Junitag – verging wie in einem Nebel, und doch blieb es ein ganzes Jahrhundert in Erinnerung. Die Pirates gewannen, 7:0, ein Zu-null-Sieg, der erste von einer Rekordserie aus sechs Siegen, die ihre Pitcher noch schaffen sollten. Adele war auch beim letzten der sechs Spiele im Stadion und las alles, was darüber in den Zeitungen stand. Tatsächlich fand man in der Post oder der Daily Gazette alles über Baseball, vor allem die Ergebnisse, wer verloren oder gewonnen hatte, wie es zu den runs gekommen war, und die Namen der Helden und Luschen des vorherigen Tages. Bevor sie Pat kennengelernt hatte, war Adele nie an Sportnachrichten interessiert gewesen. Doch nun begann sie den Morgen mit einem raschen Blick auf die Tabellenplätze der Liga, und bei Toast und Marmelade studierte sie dann die einzelnen Ergebnisse.
    Die Leinwand zeigte nun Szenen von den Spielern, die sich ausruhen. Zwei Männer machen Faxen vor der Kamera, schneiden Gesichter, und der größere nimmt dem kleineren, untersetzteren die Kappe weg und verstrubbelt ihm das dicke, wellige Haar. Über dem Mann steht sein Name in schwarzen Buchstaben: Ginger Beaumont , outfield. Der schlaksige Kerl hält die Kappe nun höher und höher, und der Rotschopf schnappt nach ihr. Über seinem grinsenden Gesicht: Kitty Bransfield , first base .
    An den Tagen, an denen Pat nicht anrief, füllte sie ihre Zeit damit, alle Nachrichten über die Pirates zu sammeln. Aber dies geschah im Laufe des Monats eher selten. In diesen ersten Juniwochen, als die Pirates in der Stadt waren, kam Pat zwei-, dreimal in der Woche mit einem Taxi, um sie auf einen Ausflug ins Stadion mitzunehmen. An anderen Tagen ging er allein, doch gegen sechs Uhr kam er zu ihrem Haus in Bluff und führte sie zum Essen aus oder zu einem Spaziergang am Hochufer des Monongahela River. Wenn die Mannschaft die Stadt verließ, war er ungebundener, und einmal

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