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Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Donohue
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Frühlingstraining.« Der Mann links strahlt eine Ernsthaftigkeit, etwas Erhabenes aus. Fred Clarke , outfield und Manager. In der Mitte steht ein Schelm. Tommy Leach , third base . Doch der Mann rechts ist ein Typ, wie es ihn heute nicht mehr gibt. Mit seinen langen Armen, breiten Händen und langen, gebogenen Fingern wirkt er wie eine Art Golem oder wie ein Mann aus gebranntem Lehm. Seine Beine sind leicht krumm. Eine Hakennase beherrscht sein Gesicht, und sein Blick ist zunächst zurückhaltend. Er zeigt dem Kameramann einen winzig kleinen Dackel, der gemütlich auf seiner Handfläche sitzt. Ein Befehl, und das Hündchen bellt, jault, stellt sich dann – noch immer auf der Hand seines Herrchens – auf die Hinterbeine und bettelt, bis es mit einem Häppchen belohnt wird, das in der anderen Hand des Mannes versteckt war. Kaum hat er das Leckerli verdrückt, hebt der Hund das linke Hinterbein und pinkelt den Arm des großen Mannes hinunter. Die beiden anderen brechen in Gelächter aus, und der Mann tanzt mit gespieltem Ärger auf seinen krummen Beinen, bis auch er sich der Komik der Situation ergibt. Sein dröhnendes Lachen ist beinahe zu hören. Honus Wagner , the Flying Dutchman , shortstop .
    Obwohl sie ihn liebte, kämpfte Adele gegen das Bedürfnis an, mit ihren Gefühlen herauszuplatzen, gleich dort beim Spiel vor all diesen Fans. Aber sie liebte ihn, ja, und war so glücklich, dass auch er sie liebte. Sie küsste ihn rasch und erlaubte Pat, den Rest des Tages ihre Hand zu halten, wenn sie nicht gerade über einen Punkt der prahlerischen Pirates jubelte. Er war lieb, freundlich und großzügig, und abgesehen von jenem Wutausbruch gegen den Mann mit der Melone hatte er keinen einzigen Fehler gemacht. Hin und wieder einen Drink, doch das konnte vor ihrem Vater verheimlicht werden. Und, ja, es stimmte, er neckte sie manchmal gern, besonders wenn Christy als Verstärkung dabei war.
    »Habe ich dir je von unserem Mann Honus Wagner und seiner großen Schaufelhand erzählt?«, fragte Pat gegen Ende des Spiels. »Es war in St. Lou, da schlug ein batter einen ground ball zu ihm, doch statt den Baseball zu fangen, grabschte er ein Kaninchen auf, das über das Spielfeld hoppelte.«
    »Ein Kaninchen, nein«, sagte Christy.
    »Doch. Wagner wirft es jedenfalls rüber zur ersten base . Und der runner war out wegen eines Kaninchens.«
    Adele klopfte ihm mit ihrem Papierfächer auf den Oberarm. »Ihr Jungs«, sagte sie lachend. »Einen Augenblick hab ich es euch geglaubt. Hatte schon Mitleid mit dem armen Karnickel.«
    Dann hopste ein kleiner zäher Typ herbei, der die Melone tief in die Stirn geschoben hatte, um sein blaues Auge zu verbergen. Reumütig wie ein gescholtenes Kind blieb er im Gang zwischen den Sitzreihen stehen und sprach erst, als Pat ihn bemerkte.
    »Na, wenn das nicht Charlie Wells ist. Ich dachte, ich hätte mich gestern Abend deutlich genug ausgedrückt.«
    Wells begrüßte Adele, indem er an seine Hutkrempe tippte, und zuckte zusammen, bevor er sprach, als schmerzte es ihn, seine Gedanken in Worte zu fassen. »Tut mir sehr leid, Patsy, ich bin nur gekommen, um mich – noch mal – für das Gerangel zu entschuldigen und zu hören, wie es dir geht.«
    Reflexartig hob Pat die Hand an seinen lädierten Mund. »Vergiss es. Du hast hoffentlich deine Lektion gelernt.«
    Ein Anflug von Feindseligkeit verfinsterte kurz Wells’ Miene, die Bitterkeit eines kleinen Mannes, der seit Langem darunter lei det, dass er immer wieder schikaniert wird. Er erinnerte Adele an ihren Vater, einen Mann, der tausendfach über alle klagte, die reicher, stärker, schöner oder selbstbewusster waren. Oder einfach mehr Glück im Leben hatten. Sie kannte unzählige dieser geknechteten Männer, die unter der Oberfläche kochten, aber bei jeder Konfrontation sofort klein beigaben. »Man sollte sich nie mit einem Iren anlegen«, sagte Wells mit einem Lachen.
    »So gefällst du mir«, sagte Pat. Er schien die Unterwürfigkeit des kleinen Mannes nicht zu bemerken, dachte Adele. »Nun sag mir, glaubst du noch immer, dass die Pirates nicht Erste werden und den Wimpel gewinnen?«
    Jetzt, wo er nicht mehr am Haken hing, entspannte sich Wells. »Nach dem, was die Schwarzhändler sagen, würde ich diesen Ed Doheny beobachten und schauen, ob er nicht verrückt wird, wie es gerüchteweise heißt. So wie Doheny spielt, so spielt die ganze Mannschaft. Im Moment stehen sie an erster Stelle, doch ich warne dich: Das Glücksrad dreht sich für

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