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Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Donohue
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fragen.
    »Er hat mir vorgeworfen, ich hole dich betrunken ab. Ich bin überhaupt nicht betrunken. Christy und ich hatten ein, zwei Bier beim Frühstück, aber das ist alles. Kaum einen Tropfen.«
    »Du solltest wissen, dass er so seine Ansichten über die Iren hat …«
    »Wer hat das nicht?« Ahearn ballte die Fäuste. »Immer heißt es, die Micks hier, die Micks da.«
    »Bist du sicher, dass es wirklich nur ein Bier zum Frühstück war?«
    Pat schob seinen Strohhut nach hinten, sodass die Krempe sein Gesicht wie ein Heiligenschein umrahmte.
    Adele, die ins helle Licht blinzelte, sah, dass die Pirates auf das Spielfeld liefen und begannen, Bälle zu werfen. »Er hat ein Gelöbnis abgelegt, das ist alles. Er ist Abstinenzler.« Sie wagte zunächst nicht, Pat nach seiner Verletzung zu fragen, doch schließlich rang sie sich dazu durch. »Hast du dir die Lippe verletzt?«
    »Sei nicht sauer«, sagte er. »Ein Streit unter Männern. Doch du solltest erst mal den anderen sehen. Dagegen ist das hier gar nichts.«
    Während der ersten drei innings saß sie schmollend da, und es kümmerte sie kaum, wer gewann oder verlor. Mitten im vierten inning lehnte sich Pat an sie und hob ihr Kinn mit einem Finger. »Komm schon, Adele, gib mir mal einen Kuss.« Und zum ersten Mal: »Sei ein Schatz. Weißt du nicht, dass ich dich liebe?«
    Die Lichter im Haus gingen an, und wir alle blinzelten, weil sich unsere Augen auf die Helligkeit einstellen mussten.
    »Kotz, würg«, sagte Flo und tat so, als steckte sie sich den Finger in den Hals.
    »Ekelhaft«, sagte Jane vor dem Spiegel und schob die Wellen ihrer neuen Frisur zurecht. »Absolut ekelhaft.«
    Der alte Mann streckte seine langen, nackten Beine aus und verschränkte die Arme. »Meine Damen, eure Bitterkeit ist ungebührlich. Wir alle glauben an die Liebe, besonders in unserer Jugend.«
    Ich nickte und dachte derweil an das von Glühwürmchen umschwirrte Mädchen.
    Während die Frauen aufgeregt und meinungsstark über den Wert der Liebe debattierten, nutzte der alte Mann ihr philosophisches Gespräch, um sich vertraulich an mich zu wenden. »Darf ich dir eine persönliche Frage stellen?« Dies fragt er, nachdem er wer weiß wie viel Zeit schon in meinem Bademantel und in meinem Badezimmer verbringt und ebenso lang wie ich die verschiedenen Geschichten miterlebt, in denen die Vergangenheit meine Gegenwart heimsucht. Dies fragt er, nachdem er mir nicht weniger als sechsmal das Leben gerettet hat und, wie ich fürchte, nicht zum letzten Mal. Dies fragt er, ohne zu erkennen, dass er der Strohhalm ist – wie dünn er auch sein mag –, an dem alle Hoffnung hängt, dass wieder Sinn und Ordnung einkehren mögen. Ich dachte und hoffte, er würde mich nach dem Mädchen fragen und mir helfen, sie aus dem Nebel meines Gedächtnisverlustes zu retten. Ich sagte, okay.
    Er sprach mit einer Ernsthaftigkeit, in der eine Spur Sarkasmus mitschwang. »Woher hast du das Geld, um dir so ein Haus zu leisten? Bestimmt nicht von deinem Honorar bei den Architekten. Für das du, wie ich hinzufügen darf, nicht mehr als einen Torbogen entworfen und gebaut hast.«
    Vielleicht hatte er das nicht beabsichtigt, aber seine Worte kränkten mich. Möglich, dass er die schwache Aura der Selbstverleugnung bemerkt hatte, die meinen Körper umgab. Ich muss förmlich nach Enttäuschung gerochen haben. Sogar das Baby rümpfte die Nase, und die Frauen unterbrachen kurz ihr Gespräch, weil sie das Aroma des Scheiterns wahrnahmen und nun auch das der Demütigung hinzukam.
    »Nicht, dass du keine Ideen hast, da bin ich mir sicher«, sagte er. »Große Entwürfe im Kopf. Geplante Pläne. Doch dieses Haus muss ein kleines Vermögen gekostet haben.«
    »Du hast schon recht«, entgegnete ich. »Mein Bruder und ich haben uns zusammengetan. Ich allein hätte mir dieses Haus nie leisten können.«
    »Muss ein toller Kerl sein«, sagte der alte Mann lächelnd und streckte die Hand nach dem kleine Jungen aus, der auf den Arm genommen werden wollte.
    Die Lichter des Hauses wurden matter, und als der Film erneut begann, schlug er uns in seinen Bann, und wir verstummten. Drei Männer mit Baseballkappen und gleichen Pullovern posieren mit unglücklichem Gesicht an einem kalten Tag. Der Typ in der Mitte sagt etwas zu den beiden anderen, seine Worte entkommen ihm als Wolken. Wie Bären, die aus dem Winterschlaf erwachen, lockern sie ihre Glieder, biegen den Hals, rollen die Schultern. Auf dem Titel steht: »Hot Springs, Arkansas,

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