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Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Donohue
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reichte die Gläser einzeln herum, sodass jeder von uns einen Drink hatte. Ich setzte meinen an die Lippen und schmeckte die wohltuende Schärfe eines Scotch on the rocks. Der alte Mann schlürfte einen Martini und drehte das Glas an seinem dünnen Stiel, um die Olive darin herumwirbeln zu sehen.
    Bunny erheischte unsere Aufmerksamkeit durch einen einzigen tiefen Atemzug.
    Er war so verblüfft über das, was sie in sein Ohr flüsterte, dass ihm die Zigarette aus dem Mund und in sein Glas fiel. Als er den Kopf drehte, um einen Blick auf die Frau zu werfen, die ihm so etwas vorschlug, sah er nur ein tiefes Dekolleté, rote Lippen und die rasche Bewegung ihrer Hand, die unter dem Tisch und in seinem Schoß verschwand. Er zuckte zusammen, als sie ihn berührte, und schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte, sodass die Teller, Gläser und Aschenbecher klapperten. Seine drei Freunde warfen ihm wissende Blicke zu, als könnten sie sagen, was die Frau im schwarzen Kleid gerade tat, auch wenn er selbst es nicht konnte. Ihre Finger verweilten gerade lang genug, dann richtete sie sich wieder auf und lächelte den Männern zu. »Hier sind die Streichhölzer, die Ihnen hingefallen sind«, sagte sie. »Danke für das Feuer.« Sie blies ihm Rauch ins Gesicht, und er war viel zu überrascht, um etwas zu sagen. Stattdessen nahm er nur die Streichholzschachtel entgegen, nickte der davongehenden Frau zu und gab vor, seine Aufmerksamkeit wieder ganz der Rumbagruppe zu widmen und der Sängerin, die sich zu »El Manisero« wiegte.
    Bunny wartete neben dem Telefon auf den Anruf, von dem sie wusste, dass er kommen würde. Es dauerte nicht lang. Sie hatte unter ihre Telefonnummer geschrieben, er solle nach zehn Uhr dreißig anrufen. Die große Uhr in der Küche zeigte 22.32. Vielleicht wollte er nicht übermäßig nervös erscheinen, aber sie wusste es besser.
    »Ist da Bunny?«, fragte die Stimme aus dem Hörer.
    »Ja. Wer ist da?«
    »Phil Ketchum. Aus dem Stork Club. Sie haben Ihre Streichhölzer fallen lassen.«
    »Wie nett von Ihnen, dass Sie anrufen, um mir zu sagen, dass Sie sie gefunden haben.«
    »Sie haben sie genau in meinen Schoß fallen lassen. Ich würde sie Ihnen gerne zurückgeben. Wie wäre es, wenn ich auf dem Heimweg bei Ihnen vorbeischaue?«
    Sie wickelte die Telefonschnur einige Male um ihren Finger. Das war ihre Lieblingsphase. Die Erwartung. »Ich fürchte, das ist unmöglich. Ich muss morgen sehr früh aufstehen …«
    »Oh, ich bleibe nicht lang.«
    »Wenn Sie bis ins Zentrum kommen, sollten Sie wirklich lang bleiben.«
    »Nun gut, lang genug.«
    »Mr. Ketchum, benehmen Sie sich.« Sie stand auf und schaute hinaus auf das Apartmentgebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Mit ihrer freien Hand kratzte sie sich am Po, denn der Flanellschlafanzug klebte auf ihrer Haut. Jerry heizte die Wohnung immer zu sehr.
    »Ich möchte wirklich gerne, dass Sie diese Streichhölzer zurückbekommen«, sagte die körperlose Stimme.
    »Kommen Sie morgen früh«, sagte sie. »Nach neun. Mein Mann ist dann zur Arbeit.« In diesem Augenblick reckte sie den Hals, um den Flur entlang auf ihre geschlossene Schlafzimmertür zu sehen. Sie konnte ihn nahezu schnarchen hören.
    Der Mann am anderen Ende der Leitung hielt kurz inne, um sich eine Zigarette anzuzünden. »Dann gehen Sie am besten jetzt ins Bett«, sagte er. »Ich werde in aller Frühe erscheinen, und Sie sollten gut ausgeschlafen sein.«
    Sie kicherte in den Hörer. »Phil, du bist so ein Hund.«
    Er jaulte auf, aber leise, damit ihn niemand durch die Scheibe der Telefonkabine hörte, und legte dann auf. Zurück am Tisch, bestellte Phil Ketchum einen weiteren Scotch mit Soda und sagte den Freunden, dass er am nächsten Morgen wohl später zur Arbeit komme. Alle lachten.
    Ein-, zweimal in der Woche spielten Phil und Bunny bei einem Rendezvous eine Variante des Spiels. Sie ging mit Freundinnen aus, und er sorgte dafür, dass er sie wie zufällig in einem Nachtclub oder im Kino traf oder einmal an der Ecke Seventh und Fifty-third bei der Macy’s Thanksgiving-Parade. Vier Monate waren vergangen, doch das Spiel hatte nichts von seinem Zauber oder Reiz verloren, denn sie brachte ihn mit Vorliebe an den Rand, ehe sie sich geziert zurückzog. Einmal in der Subway sagte sie zu Phil, sie trage nichts unter ihrem Kleid, und rückte in dem gedrängt vollen Wagen so dicht an ihn heran, dass er sich selbst von der Wahrheit überzeugen konnte. Ein anderes Mal in der Bücherei –

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