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Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Donohue
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Folksänger oder ein Beatnik oder so. Du kennst solche Typen.« Sie verbarg das Gesicht hinter den Händen. »Du musst mich für abscheulich halten.«
    Er nahm sie bei den Handgelenken und zerrte ihre Hände von ihrem Gesicht. »Ich tu’s«, sagte er. »Ich bring den Dreckskerl um. Wir werden es wie einen Unfall aussehen lassen, oder als hätte es jemand anderer getan. Vielleicht dieser Woody Pfahl.«
    Als ein Lächeln über ihr Gesicht ging, begann ihre Lippe wieder zu bluten. »Ja, du tust es?«
    »Ich könnte ihn auf der Stelle erwürgen.«
    »Und dann kümmern wir uns um Claire und sind zusammen.«
    Er klopfte eine Zigarette auf den Rand der beschichteten Tischplatte und schien den Vorschlag im Einzelnen zu überdenken. »Genau. Erst Jerry, und dann müssen wir etwas warten, bis sich der Sturm gelegt hat.«
    »Ein Weilchen, und dann verlässt du sie.«
    Schweigen – einen Herzschlag zu lang. »Sicher«, sagte er.
    Verbrechen aus Leidenschaft begeht man am besten unüberlegt, solange die Hitze des Augenblicks noch im Blut brodelt. Langwierige Planung des perfekten Verbrechens führt oft zu einem Übermaß an Analyse und schwächt die Nerven, die man für einen Mord braucht. Sie aber zauderten. Monatelang durchdachten sie mögliche Szenarien, wie Phil einen Unfall arrangieren könnte. Ein Schubs vom Subway-Bahnsteig vor einen einfahrenden Zug wurde wegen möglicher Zeugen verworfen. Im April dachten sie an Gift und Drahtschlingen, an Rasiermesser und Klaviersaiten, an einen Sturz von einem hohen Gebäude oder an einen Tresor, der von einem hohen Gebäude auf ihn herabstürzte. Im Mai diskutierten sie die Vor- und Nachteile von Brandstiftung oder wie es wäre, den Gasherd über Nacht anzulassen, einen elektrischen Lockenstab in die Badewanne zu werfen oder ihm eine Überdosis Schlaftabletten zu verabreichen. Sie debattierten über Ersticken und Erdrosseln, über Messer und Eispickel. Am Memorial Day, Ende Mai, wurden sie sich beinahe einig über einen Schlag auf den Kopf mit einem stumpfen Gegenstand. Wann immer sie das Thema Scheidung ansprach, wechselte er zum Thema Mord. Als das Wetter besser wurde und während des ganzen Frühjahrs sprachen sie ausschließlich über Mord, Mord, Mord.
    Eine Rumba tönte aus dem Radio, und die Mädchen schwenkten ihre Longdrinks, schwangen die Hüften und schnippten mit den Fingern. Und das Kind schüttelte seine Rassel wie eine Rumbakugel.
    Es bedurfte eines weiteren Zufalls, einer weiteren willkürlichen Bagatelle kosmischen Gewirrs, um von der Diskussionsphase zur Ausführung des Plans überzugehen. Ganz simpel, Phil traf Woody Pfahl. Als er eines Morgens vor Bunnys Apartmenthaus stand und überlegte, ob er den Zug in die Stadt nehmen, ein Taxi anhalten oder einfach die etwa zwölf Blocks zu Fuß gehen solle. Er hatte sich noch eine Zigarette angezündet und versuchte gerade, Bunny aus dem Kopf zu bekommen, da er eben erst nach besonders athletischem Sex aus ihrem Bett gestiegen war. Seltsam, wie das Gespräch über Mord ihren Motor auf Touren brachte. Da kommt dieser junge Kerl des Weges, höchstens zwanzig, würde er schätzen, dunkle Sonnenbrille, schütteres flaumiges Ziegenbärtchen, und nuckelt an einer Pall Mall, als wäre sie ein Dauerlutscher. Der Junge schien in Gedanken, denn obwohl zu dieser Stunde kaum Fußgänger unterwegs waren, rannte er direkt in Phil hinein.
    »He, Mann«, sagte der Junge. »Warum gucken Sie nicht, wo Sie hinlaufen?«
    Phil streifte die Asche von seinem Sakko. »Du bist wie ein Bulle über den Gehsteig gerast. Ich stand nur hier und dachte an nichts Böses.«
    »Oh, Entschuldigung, Mann. Ich habe nicht gesehen, dass Sie es sind.«
    Mit einer Hand auf der Brust des Beatniks hielt Phil ihn auf. »Was soll das denn heißen? Kennen wir uns?«
    »Sehen Sie, Mann, ich will keinen Ärger. Sie sind der Kater, der hier hin und wieder rumstreicht.«
    Phil packte den Jungen am Kragen. »Was meinst du mit diesem schwachsinnigen Witz, du Dreckskerl?«
    »Die Sache hier wird viel zu heiß. Können wir runterkommen, Alter? Ich will nur zurück in meine Bude, ich brauch ’ne Mütze Schlaf. Ich war die ganze Nacht auf der Bleecker Street unterwegs.«
    »Wohnst du hier in diesem Haus?« Plötzlich wurde ihm bewusst, wer der Junge war. »Heißt du Woody?«
    »Ich will keinen Ärger.«
    Phil lachte und ließ die Jacke des Jungen los. »Klar, Woody, geh nach Hause.« Auf seinem Weg in die City konnte er nicht anders, als immer wieder vor sich hin zu glucksen.

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