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Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Donohue
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Geschmack der Kindheit in der Waffel mit Pfirsicheis. Die unauslöschliche Essenz. Die Katze war hier.«
    »Sie haart aber nicht.«
    »Die Aura, die einer hinterlässt, ist nicht dasselbe wie ein forensisches Beweismittel.«
    Das Gespräch über die Katze erinnerte mich an unseren Dialog im Keller, und es kam mir so vor, als lieferte der alte Mann eine plausible Erklärung. »Aber die Katze kann sprechen«, sagte ich. »Sie hat die Mulligatawny-Suppe empfohlen. Was hältst du davon?«
    Der alte Mann schob den Vorhang vor dem Fenster beiseite und sah hinaus in die dunkle Nacht. »Ich glaube, da ist irgendwas nicht ganz richtig in deinem Kopf.«
    »Das ist der erste vernünftige Satz, den du heute Nacht sagst.« Tatsächlich konnte der Schlag auf meinen Kopf ein Großteil der Ereignisse dieser frühen Morgenstunde als eine kunstvolle Sequenz von Halluzinationen erklären, angefangen von dem Mann mit Federn im Mund über die sprechende Katze bis hin zu dem Geheimnis von 4.52. Rasch warf ich erneut einen Blick zu Dolly und Jane, die sich barfuss in ihren durchsichtigen Nachthemden in der leeren Badewanne gegenübersaßen und Currysuppe aßen. Der Drache auf Janes Hals hatte sich gedreht, sodass nun sein Kopf auf ihre Brust zielte und sein Schwanz sich um ihr Ohr wand. Die Frauen erschienen mir reichlich real. Und der Mann, der mir den Rücken zukehrte und hinaus in die unergründliche Nacht blickte, wirkte auf mich recht solide. Ich schlug ihm auf die Schulter, um meine Annahme bestätigt zu sehen. Doch womöglich hatte ich auf Knochen getroffen, denn er fühlte sich hart wie Stein und starr wie eine Statue an. Als er schließlich wahrnahm, dass ich abwartend hinter ihm stand, sprach er, als erinnerte er sich plötzlich an ein abgebrochenes Gespräch.
    »Du hast mir gerade von diesem Haus erzählt.«
    Ich war dem Zug seiner Gedanken nicht gefolgt und stand noch immer auf dem Bahnsteig, als er schon meilenweit über die Gleise gefahren war, doch ich haspelte und setzte an. »Na ja, ich weiß schon, es ist nicht das Haus, das man von einem Architekten erwarten würde.«
    Aus der Wanne tönte Dolly: »Ich hatte ja keine Ahnung, dass du Architekt bist.«
    »Kennen wir irgendeinen deiner Bauten?«, fiel Jane mit einem Mal ein. »Ein Kartenhaus vielleicht?«
    Die traurige Wahrheit war, dass nichts von dem, was ich entworfen hatte, je gebaut worden war. »Vielleicht sollte ich sagen, ich arbeite zwar in einem Architekturbüro, aber ich bin so etwas wie der Endbearbeiter, der sich um die kleinen Details der großen Pläne kümmert. Bürozentralen, Spielzimmer für Kinderhorte. Einmal habe ich den Prototypen eines Büro der Zukunft entwickelt …«
    Dolly und Jane kicherten wie Schulmädchen. »Frank Lloyd Wrong«, flüsterte Jane ihrer Freundin zu.
    »Wir haben dieses Haus gekauft, als der Markt gerade stieg, eine richtige Investition. Mein Bruder und ich …« Mein eigener Satz ließ mich innehalten. Beim besten Willen konnte ich mir meinen Bruder nicht vorstellen, weder sein Gesicht noch seinen Namen noch irgendetwas von ihm, obwohl er doch existieren musste, wie sonst hätte ich es mir leisten können, dieses Haus zu kaufen? Ich schob den Gedanken beiseite und fuhr fort. »Insgesamt gibt es hier neun Zimmer, die koloniale Standardeingangshalle, erbaut um 1922. Das Elternschlafzimmer und das Kinderzimmer, das ich, wie du weißt, in ein Arbeitszimmer umfunktioniert habe. Den Bogengang habe ich selbst eingebaut. Und dann oben das Schlafzimmer nach vorn hinaus, das meinem Bruder gehörte …« Was war aus meinem Bruder geworden? Wo war er hingegangen? Wie meine Mutter, wie mein Vater? Wie die Frau, die ich liebe? »Und unten der Wohnraum, das Esszimmer und die Küche. Dann gibt es noch den Keller und den Dachboden, kein richtiger Raum, aber jedenfalls neun Zimmer. Wenn man das Bad hinzuzählt, in dem wir stehen, das im Augenblick das Herz vom Ganzen zu sein scheint. Nicht wirklich gemütlich, aber ein Zuhause …«
    Der alte Mann räusperte sich und stellte seinen leeren Suppennapf ab, wobei der Löffel gegen das Porzellan schepperte. »Sehr erhellend. Aber ich bezog mich auf das eine unverwechselbare architektonische Detail dieses Hauses, auf die außergewöhnliche Besonderheit, die du vorhin erwähntest.«
    Wie eine Vierjährige sprang Dolly auf die Füße, reckte den Arm in die Luft und vollführte schmetterlingsartige Bewegungen mit der Hand. »Ich weiß, ich weiß«, sagte sie. »Erzähl uns von den singenden Fenstern. Du

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