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Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Donohue
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würde sie im Geiste quälen, wenn sie nicht da sei. In der Nacht würde ihre Erscheinung sie heimsuchen und ihnen in die Arme und Beine kneifen, sie würde sie mit eisernen Nadeln pieksen und sie martern, indem sie ihnen die Arme, den Hals und die Beine verdrehe und hineinbeiße. Die kleine Betty Parris war sprachlos vor Angst, ihre Kehle angeschwollen und ihr Mund stumm, und Abigail, ihre Cousine, war von geheimnisvollen Schmerzen gequält, in allen Punkten sehr ähnlich denen, die John Goodwins Kinder vor drei Jahren in Boston befielen, von denen wir alle gehört haben, und der Marter, die sie durch die Hand Satans erlitten. Einige andere Dorfbewohner wurden herbeigerufen, um sich mit ihnen zu beraten, und auch sie kamen zu dem Schluss, die Mädchen seien von Teufeln besessen.
    Zwei weitere Mädchen werden auf diese Weise heimgesucht, Elizabeth Hubbard, etwa in meinem Alter, und Ann Putnam, die kleine Tochter von Thomas Putnam, von dem Mr. Bonham sagt, er sei gegen die halbe Stadt gram. Ich bin mit all diesen Mädchen befreundet und mit der Indianerin und bin sehr besorgt, was da auf uns zukommt. Schließe uns in Deine Gebete ein.
    Deine Dich liebende Schwester
    Alice
    Kaum hatte Jane geendet, hob Dolly an, Sarahs Antwort zu lesen.
    Casco Bay
März 1692
    Liebste Alice,
    Deine Briefe und die Neuigkeiten, die sich auf den Straßen Neuenglands verbreiten, rufen eine Kälte hervor, die mir bis in die Knochen dringt. Zuerst sollst Du immer wissen, dass Gott diese jung verstorbenen Kinder sofort an seine Brust bringt, einerlei ob getauft oder nicht. Und ich halte es nicht mit der Kirche, die Lehren vertritt, die anderweitiges über die Unschuldigen sagen. Es ist nicht notwendig, Beschwörer zurate zu ziehen oder billigen Zaubertricks oder falschen Weissagungen zu vertrauen. Niemand kann in die Zukunft sehen oder erraten, was kommen mag. Doch ich wage zu behaupten, dass Deine Tändelei mit diesen Mädchen und einfachen Dienstmägden zu keinem guten Ende führt, und auch ich habe von dem Goodwin-Fall und anderen so Gequälten gehört, denn ich habe oft genug die Krämpfe und Anfälle gesehen, von denen arme Seelen befallen werden, und es gibt tausend Krankheiten und Leiden, deren Ursache wir nicht kennen. Aber ich bin nicht überzeugt, dass solche Unpässlichkeiten das Werk des Teufels sind, denn wenn er schon einem Einzelnen so viel antun kann, würde Satan dann nicht jeden Unschuldigen heimsuchen?
    Du tätest gut daran, die Gesellschaft Deiner Freundinnen zu meiden und einen großen Bogen um die Mädchen zu machen, die, sollten sie nicht alle plötzlich von derselben Krankheit betroffen sein, sehr gut Kindereien und Heucheleien verbreiten könnten. Verfalle nicht in solche törichten Spiele. Halte Dich fern, halte Dich fern, und vertraue Deinem Gemahl, was diese Mädchen angeht. Ich schließe Dich in mein tägliches Gebet ein.
    Die Deine, Gottgefällige
    Sarah
    Am Ende ihrer Lektüre reichten Dolly und Jane die Dokumente an Alice zurück, die sie an den richtigen Stellen in ihr Archiv einsortierte. Ich zupfte den alten Mann an seinem Bademantelärmel, nickte den Frauen zu und flüsterte ihm eine vertrauliche Frage zu. »Ich verstehe die Bedeutung des Ganzen nicht. Warum spielst du hier den Ehemann? Sollte nicht eher ich den Part von Mr. Bonham vorlesen?«
    »Es sieht so aus, als hättest du eine andere Rolle.« Mit einem Augenzwinkern beugte er sich näher zu mir, und ich neigte den Kopf, damit seine Worte besser in mein Ohr drangen. »Alles zu seiner Zeit, Kumpel. Aber ich glaube tatsächlich, du bist auf dem richtigen Weg. Wie gut für dich, dass du die zugrunde liegende Selbstgefälligkeit erkannt hast. Ich hatte nicht so viel daraus abgeleitet. Und das beweist nur, wie außerordentlich scharfsinnig und einfühlsam du bist.«
    Dieses Kompliment freute mich über die Maßen, denn bislang hatte ich gedacht, er halte mich für ein wenig begriffsstutzig. Als ich rot wurde, rauschte Blut in meinem Kopf, und ein Tropfen rann von meiner Kopfhaut, von dort, wo zuvor das Loch gewesen war. »Sag mir«, entgegnete ich, »welchen Platz habe ich in Alices Geschichte?«
    »Soll das heißen, du erinnerst dich nicht an sie? An so eine schöne junge Frau?«
    Ich warf einen verstohlenen Blick über seine Schulter und sah sie im Dreiviertelprofil, wie sie den beiden Frauen zuhörte. Eine von ihnen sagte etwas Lustiges, und Alice hob die Hand an den Mund, ihre Lippen und ihre Fingernägel waren vom selben Rot. Er packte mich am Ellbogen

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