Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)
wer weiß, mich diesen Hexenjägern ausliefern. Ich kann nichts sagen. Ebenso wenig kann ich diesem Ort entfliehen, sondern muss alles mit Schweigen und Zuversicht ertragen.
Deine Dich liebende Schwester
Alice
Postscriptum: Du schriebst, Du wollest mich besuchen kommen und Deinen kleinen Jungen mitbringen. Bitte tu es und bald.
Es folgten Passagen aus Mr. Bonhams Tagebuch, wieder gelesen vom alten Mann.
1. Mai
Welcher Irrsinn infiziert uns? So fürchterlich, der unablässige Gestank der Heuchelei, man könnte meinen, die Wolken besudelten die Erde. Ich vermute Putnam dahinter. Möge es Gott gefallen, uns Erleichterung von dieser Plage der Lügenhaftigkeit zu bringen. Wenngleich Alice schweigt, hat sie große Angst wegen der vielen, die ins Gefängnis geworfen werden, und mit gutem Recht, denn jene Mädchen beschuldigen jeden ohne Unterschied.
25. Mai
Nach meiner Rechnung befinden sich nun sechzig im Gefängnis. Der arme Giles Corey gesellt sich zu seiner alten Frau, ebenso Gevatter Proctor und seine Elizabeth, die alte Bridget Bishop und viel zu viele, um sie aufzählen zu können. Käme doch nur der neue Gouverneur und regelte die Angelegenheiten und erlebte die Farce der falschen Zeugnisschaft. Wir sind erleichtert, dass Alices Schwester uns nächste Woche besucht, so zumindest kann die Arme etwas Trost und Mitgefühl finden.
Bei diesem roten Lesezeichen hielt er inne und schlug auf Alices Kommando das Buch zu. Sie zog einen Brief für Dolly hervor.
Casco Bay
1. Juni 1692
Liebste Alice,
schweren Herzens schreibe ich Dir, um zu sagen, dass ich nicht wie geplant reisen kann, denn unser kleiner William liegt danieder mit einer Krankheit, die ihn scharlachrot färbt und ihn mit einem gräulichen Husten schüttelt. Seit drei Tagen lodert er fieberheiß, wenn auch das Schlimmste nun überstanden ist, aber der Doktor sagt, er sei nicht fähig zu reisen, und ich bin abgeneigt, ihn in dieser Verfassung allein zu lassen. Vielleicht besuchen wir Dich später im Sommer, wenn er genesen ist. Ich schreibe Dir in Eile, damit er nicht zu lange unbeaufsichtigt ist. Sprich ein kleines Gebet für seine Gesundheit, und ich werde bald wieder schreiben. Ich bin untröstlich, Dich enttäuschen zu müssen, und bitte Dich nur dringlich, resolut zu bleiben. Alles geht vorüber.
Deine Dich liebende Schwester
Sarah
»Wurde der Junge wieder gesund?«, fragte Dolly. »Der kleine William?«
Die rothaarige Frau nickte und drehte sich dann zu mir, damit ich als Nicolas Noyes die Geschichte weitererzählte.
NOTIZEN UND VERSCHIEDENES , Fortsetzung
Teil fünf
Bridget Bishop, von ihrem Ehemann und anderen der Hexerei beschuldigt sowie durch Aussagen einiger Zeugen belegt, die dies auch beschworen, wurde vom Court of Oyer and Terminer, dem Vorsitzenden Richter William Stoughton, unserem stellvertretenden Gouverneur, zu Gefängnis verurteilt und von den Frauen untersucht, die einige Auswüchse oder Hexenzitzen an ihrem Körper fanden, die sie nicht schmerzten, wenn mit einer Nadel hineingestochen wurde. Derart als Hexe überführt, gestand sie, dass einige »Leute sie als Hexe betrachteten«, und drohte Mr. Hathorne mit den Worten: »Wäre ich eine solche Person, wüsstet Ihr es.« Sie wurde zum Tode verurteilt, und am 10. Juni wurde sie am Gallows Hill in Gegenwart vieler Zeugen des Gottesurteils gegen sie am Halse aufgehängt, und als sie schließlich aufhörte zu atmen, erhob sich ein lautstarkes Geschrei, das den Willen aller, solches Übel müsse ausgerottet werden, bekundete. Als Gouverneur William Phipps erfuhr, dass einige Magistraten Einwände erhoben und Mr. Saltonsall aus Protest sein Richteramt niederlegte, hat er Increase Mather und dessen Sohn und andere Bostoner Prediger aufgesucht, um ihren Rat einzuholen, wie wir am besten mit diesen Prozessen verfahren.
Der alte Mann unterbrach auf ihre Anweisung hin meinen Vortrag mit einer weiteren Passage von Nathan Bonham.
11. Juni
Das ungewöhnlichste Ereignis in meinem ganzen Leben geschah letzte Nacht. Meine Frau war zutiefst verstört, nachdem sie die Hinrichtung von Gevatterin Bishop miterlebt hatte, und als die Zeit gekommen war, zu Bett zu gehen, wollte Alice nicht und sagte vielmehr, sie würde noch ein Weilchen am Feuer sitzen bleiben, und somit wünschte ich ihr Gute Nacht. Ich schlief unruhig, hatte Traumbilder der am Strick baumelnden Leiche und nach Mitternacht, aber vor der Morgendämmerung wachte ich mit einem Unwohlsein auf und fand mich allein im Bett. Ich rief
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