Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)
Als Hachard über meine Kessheit lachte, kamen weitere Lücken hinten in ihrem Mund zum Vorschein. Das werden wir schon sehen, aber zuerst solltest du dich ausruhen nach deiner langen Reise. Mit der Kerze in der knotigen Hand führte sie mich zu einer Pritsche am Fußende ihres Betts, und ich fiel, ohne mich auszuziehen, in die Kissen. Ich schlief schon fast, als ich ihre geisterhafte Stimme in der Dunkelheit hörte. Weißt du, wie man kocht? Oui , antwortete ich. Das werden wir sehen, das werden wir sehen.
Am nächsten Tag standen wir vor dem Morgengrauen auf und zogen uns an. Ich lernte den Rest der Familie LaChance kennen. Die Dame des Hauses, Madame Dominique, erwies sich in jeder Hinsicht als das Gegenteil ihres Mannes. Wo er fett und fröhlich war, war sie mager und mürrisch. Wo er weißes Leinen bevorzugte und gern den Gecken spielte, trug sie Schwarz. Revêche. Aber vielleicht hatten all die Kinder sie dazu gemacht, denn obwohl sie nicht älter als dreißig sein mochte, hatte sie sechs aus sich herausgepresst, das älteste, ein Junge, war zwei Jahre jünger als ich und das jüngste noch ein Baby. Sie waren allesamt rund wie ihr Vater, kleine Teigbällchen.«
Dolly lachte. »Die dicken Möpse.«
»Deine Beschreibung«, sagte Jane, »erinnert mich an ein Gemälde von Botero. Der fette Mann und seine sechs Pummelchen.«
Marie betrachtete den alten Mann und achtete darauf, dass sein unsteter Blick auf ihrem rechten Unterarm blieb. »Natürlich! An Botero hatte ich bisher gar nicht gedacht, aber die Kinder und ihr Vater hätten geradewegs aus seiner Leinwand herausgetreten sein können. Feistes Federvieh, aber gutmütig, solange sie jung und satt waren.«
Dieses Mal hatte der alte Mann einen Finger auf der Stelle belassen, und als ihr Gespräch beendet war, konnte er unverzüglich fortfahren.
»Meine Arbeit bestand darin, die Kinder zu betreuen und von Hachard zu lernen, wie man den Haushalt führt. Seit der Kindheit von M. LaChance war sie in Diensten der Familie, mittlerweile eine alte Frau an die fünfzig; wegen der Schmerzen in ihren Gelenken und einer Steifheit in Händen und Füßen, die ihre Finger und Zehen verkrümmt und knorrig gemacht hatte, konnte sie sich nicht mehr so flink bewegen. Die Mistress bestand darauf, dass Hachard weiterhin das Essen zubereite, aber alle anderen Aufgaben des Haushalts fielen mir zu – das Putzen, die Nachttöpfe, Fegen, Waschen, Servieren bei Tisch, und überdies half ich noch mit, die Kleinen zu hüten. Diese Pflicht war meine leichteste Bürde. Selbst bei schönstem Wetter waren sie träge, und kam die Regenzeit, bewegten sie sich kaum mehr, und bei der schwülen Hitze im Juli und August faulenzten sie hinter den schweren Vorhängen, lasen ihre Bücher oder spielten leise Karten oder andere Glücksspiele. Die beiden kleinen Mädchen hatten ihre Puppen, und die Jungen jagten manchmal mit Holzschwertern hintereinander her, doch hauptsächlich aßen und schliefen sie oder hatten Unterricht bei einer alten weißen Frau, die ins Haus kam. Die Jüngsten schliefen am Nachmittag, bis sie fünf, sechs Jahre alt waren. Für mich war die bloße Gegenwart der Kinder ein Segen, denn da sie mich an meine Anna und meine Schwestern erinnerten, linderten sie meine Seelenpein ein klein wenig.
Sehr rasch – eigentlich schon am ersten Tag – erkannte ich, weshalb Madame Wert darauf legte, dass Hachard weiterhin das Essen zubereitete, denn sie kochte höchst exquisit auf französische Art, ganz anders als viele unserer Nachbarn, die offenbar das Schlimmste der englischen – oder, barmherziger Gott, der kolonialen – Küche nachäfften. Nein, Hachard vollbrachte mit einfachen, frischen Zutaten Wunder und stützte sich dabei auf eine Art Kochklub der Nachbarn im Viertel. Alte Sklavinnen, die an und für sich den Haushalt führten, wurden damit betraut, zu den Ständen auf dem Markt zu gehen und dort Fisch oder Fleisch zu kaufen oder Obst und Gemüse bei den Männern, die mit ihren Fuhrwerken durch die Straßen fuhren und ihre Waren lauthals an priesen. Hachard war bei Weitem die Beste, sie kochte mit Nuan cen aus dem Kreolischen, dem Cajun, aus Frankreich und Afrika. In Port-au-Prince hatte ich nicht so gut gegessen, und ich stellte mir vor, dass selbst König Ludwig in Paris nicht so gut aß. War mein Herz auch leer, mein Bauch war voll.
Auf diese Weise wurden aus Tagen Wochen und aus Wochen Monate. Ich wurde sehr auf Trab gehalten. Alles, was Hachard nicht mehr bewältigen
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