Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)
das Leben in der Neuen Welt bisher nicht den richtigen Umgang gehabt habe. Ich rannte geradewegs ins große Haus. Anna hatte gehört, dass auch wir verkauft werden sollten. Kannst du mich nicht mitnehmen nach Frankreich?, fragte ich sie weinend, und sie entgegnete weinend, dass sie es nicht könne, und es war, als bräche uns das Herz. Und nachdem wir uns voneinander losgerissen hatten, schluchzte ich mich in den Schlaf und dachte, am besten würde das Leben nun hier gleich aufhören. Ich werde nie das Gesicht meiner Mutter vergessen, als sie uns beim Abendessen eröffnete, man bringe uns zu einer Auktion nach Port-au-Prince und verkaufe uns dem Mann, der bereit sei, den höchsten Preis für uns zu zahlen, und dass wir, so Gott will, nicht getrennt würden. Doch wir wurden getrennt. Die Auktion fand auf dem Marktplatz statt. Mein Vater ging als Erster, er wurde an einen anderen Zuckerrohrfarmer verkauft; ihn weggehen zu sehen, erschütterte mich, obwohl ich den Mann eigentlich gar nicht so gut kannte, denn er war selten zu Hause. Dann wurden meine Mama und ihre drei Töchter feilgeboten. Louisa und Claire waren noch klein genug, sodass der Mann, der meine Mutter ersteigerte, sie alle drei zusammen nahm; ich jedoch musste mich nackt ausziehen und wurde von etlichen Buckra-Männern gezwickt und gestupst, die immerfort Zahlen riefen, bis schließlich ein Preis von vielen Sols erreicht war, und plötzlich wurde ich einem dicken Mann in einem weißen Anzug und einer aprikosenfarbenen Weste übergeben. Er fragte: Wie alt ist diese Negerin? Fünfzehn, sagte der Auktionator, vielleicht siebzehn.
Vierzehn, sagte ich zu dem Mann, der in der grellen Sonne zu glühen schien. Ich bin vierzehn Jahre alt. Gerade als ich diese Worte aussprach, sah ich, dass meine Mutter und meine beiden Schwestern von ihrem neuen Master weggeführt wurden, ich riss mich los und rannte verzweifelt zu ihnen, weil ich nicht von ihnen getrennt werden wollte. Meine Mutter wehklagte, als ich sie umarmte, und drückte mich an ihre Brust. Bitte schlagt sie nicht, bat sie den Ersteigerer. Ma chérie , sagte sie unter Tränen, sei ein braves Mädchen. Tu, was man dir sagt. Als der Mann mich aus ihren Armen zerrte, schrie und weinte ich. Ich sah sie niemals wieder, aber ich habe noch das Bild vor mir, wie die drei fortgingen und einzig ihre Fußabdrücke im Staub zurückblieben. Und dann spürte ich, dass die Hand meines neuen Masters mir auf die Schulter fiel.
Monsieur LaChance war sein Name, was mir unwillkürlich ein Lächeln entlockte, und er sagte, es tue ihm leid, dass er nur Geld für eine Person gehabt habe, und fragte mich, ob ich meine ganzen vierzehn Jahre auf Saint-Domingue verlebt habe, und ich antwortete: Oui. Er fragte, ob ich je mit einem Schiff gefahren sei, und ich antwortete: Non . Wir stiegen in einen Einspänner und wurden rumpelnd zum Hafen gebracht, und als ich wieder zu weinen anfing, tätschelte mir dieser seltsame runde Mann das Knie. Er sagte: In diesem Fall haben wir ein Abenteuer vor uns, denn wir sind unterwegs nach Orleans. Und ich fragte ihn, ob das bedeute, dass wir nach Frankreich reisen, und dachte, dass ich zumindest Anna wiedersehen würde, doch er lachte nur, bis sein Gesicht rot anlief. Nein, sagte M. LaChance, nach New Orleans in Louisiana, und ich brach wegen der grausamen Ironie, die allein schon der Name unseres Ziels in sich barg, in bittere Tränen aus.
Die Fahrt über den Golf war lang, und ich reiste unter Deck mit acht anderen Schwarzen, samt und sonders Sklaven. Tagsüber war es uns erlaubt, auf dem Deck am offenen Wasser zu stehen, doch als wir uns dem Hafen an der Mündung des Mississippi näherten, hätten die Moskitos einen mit ihren Stichen am liebsten umgebracht, für kein atmendes Wesen zeigten sie Gnade. Auch Schwärme von Stechmücken umschwirrten uns, manche flogen mir in Mund und Nase und setzten sich in meine Augenwinkel. Ich war erleichtert, das Schiff verlassen zu können. Im Land der Tschactas wurden wir überfallen, also gingen wir in einem indianischen Dorf von Bord, wo der Häuptling genau wie ein Franzose gekleidet war und die Sprache der Händler sprach, wie es viele Stämme entlang des Flusses tun. In der Hütte des Häuptlings sah mich ein Weißer aus dem fernen Kanada ganz ergriffen an, als sich unsere Blicke zum ersten Mal trafen. Er konnte die Augen gar nicht mehr von mir abwenden. Er war der größte und dickste Mann, den ich je gesehen hatte, mit einem roten Bart, der sein Gesicht
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