Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)
in die Hände und sagte: »Ich mag diesen Iren immer lieber.«
»Es gab eine Frau aus Hachards Bekanntenkreis, die weiter hinten am Damm lebte und von der man lange dachte, sie sei Afrikanerin. Sie erhob ihre Ansprüche, indem sie ohne Unterlass in der Muttersprache ihres Stammes redete, und ihr Master ließ sie – ob nun aus Schuldgefühl oder nur, um sie zum Schweigen zu bringen – auf der Stelle frei. Zweitens erlaubte der neue Code den Mastern, ihre Sklaven freizulassen, ohne dafür vom cabildo oder dem Gouverneur oder sonst wem die Erlaubnis einholen zu müssen. Unter dem Code Noir war für die Befreiung ein offizieller Erlass ›aus triftigem Grund‹ erforderlich gewesen, doch nun wurde die Angelegenheit in die Hände der Sklavenbesitzer selbst gelegt. Die dritte große Veränderung bestand darin, dass der Sklave eigenen Besitz haben durfte, und nicht – wie unter den Franzosen – seine Rechte an den Master abtreten musste. Nach O’Reilly durften wir nun Geld besitzen, mit jedermann einen Vertrag für Dienstleistungen in unserer freien Zeit schließen und eine Erbschaft antreten. Ein Mädchen meines Alters, die Tochter eines Freigelassenen, der getrennt von ihr in Pennsylvania lebte, bekam mit der Nachricht vom Ableben des unglücklichen Mannes die Mitteilung, dass sie nun Besitzerin einer Farm sei, die mehr Acres hatte als die Plantage ihres Masters. Diese Ironie wäre unerträglich gewesen, hätte es nicht den vierten Teil der Reformen O’Reillys gegeben. Sie konnte sich durch den Verkauf einer Parzelle ihres Bodens die Freiheit erkaufen und ihren Besitzer damit ausbezahlen. Der Gouverneur hatte allen Sklaven in Louisiana das Recht der coartación zugestanden, genau wie es auch den schwarzen Sklaven in Kuba zugestanden worden war. Es erlaubte uns, Verträge mit unseren Mastern abzuschließen, in denen ein Preis für unsere Freiheit festgesetzt wurde, sodass wir uns im Grunde nun selbst kaufen konnten. Ein besonderer Rat wurde eingerichtet, der unsere Fälle und unsere Beschwerden anzuhören und jeden Missbrauch ahnden sollte. Verweigerte ein Master einen Vertrag auf Freilassung, konnte er vor Gericht gestellt werden. Überschritt ein Master höchst grausam seine Grenzen, konnte er dazu gezwungen werden, diesen Sklaven an jemanden zu verkaufen, der freundlicher war und uns wie menschliche Wesen behandelte und nicht wie bloßen Besitz.
Ein Jahr nachdem ich Hachard in der Nacht des Lichtfestes kennengelernt hatte, sprachen wir in ihrem kleinen Zimmer über unsere Pläne für die Freiheit, mit leiser Stimme, um die Kinder nicht zu wecken, und doch konnte sie ihre Begeisterung kaum zügeln. Der große Kerl, so flüsterte sie, sagt, dass es viele Leute gibt, die eine königliche Summe für ein köstliches Sonntagsmahl aus den Töpfen der alten Hachard zahlen würden. Und er sagt, dass Mr. Pollock, der irische Händler, der Freund des Gouverneurs, eine hübsche Summe für das Entladen der Schiffe zahlt, wenn Weizen oder Fässer mit Cider ankommen. Wir haben einen Pakt geschlossen, Marie Delhomme: Der Erste, der das nötige Geld beisammenhat, wird für den anderen mitsparen. Er muss dich sehr lieben, sagte ich, und du ihn. Ihr kurzes Auflachen blitzte in der Dunkelheit. Meine Liebe, du bist ein Kind, und deine Sicht der Welt ist zu romantisch für eine alte Krähe wie mich, aber wir können uns gut genug leiden. Ich fühlte mich töricht, doch die Spannung war größer als meine Scham. Wie viel wirst du zahlen müssen, um dir dein Leben zu erkaufen? Pfft, ich bin eine alte Frau von geringem Nutzen, und eigentlich sollte der Master mir etwas bezahlen, damit ich gehe. Sie nannte eine Zahl in französischem Geld, und ich fragte nach der Summe in spanischer Währung, denn die französischen Beträge sagten mir nichts mehr. Wir werden sehen, sagte Hachard, was M. Foiegras dazu zu sagen hat, doch ich hoffe, der Preis ist niedrig.
Die Sache wurde zur Weihnachtszeit geregelt, nachdem die Kinder zu Bett geschickt worden waren und der Master und die Mistress vor dem Gänsebraten saßen. Madame LaChance hockte da wie ein Klotz, mit vor der Brust verschränkten Armen. Wohingegen Monsieurs Lippen und Finger vor Fett glänzten und ein Ausdruck äußerster Zufriedenheit auf seinem Gesicht lag. Perfekt, sagte er zu Hachard, als wir den Vogel vom Tisch abräumten. Vorzüglich wie immer. Merci, sagte Hachard. Da doch heute das Dankfest für die Geburt unseres Herrn ist, habt Ihr da vielleicht über unser Gespräch
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