Sommernachtsgeflüster
sollen. Als die Anschuldigungen langsam verebbten, unterbrach Thea ihre Freundin. »Molly, Schätzchen, ich weiß, dass ich etwas Böses getan habe, aber bisher ist ja alles in Ordnung, und ich bin mir sicher, dass es den Studenten gut geht. Petal wird sie schon auf Vordermann bringen.«
»Petal! Erwähne sie am besten gar nicht.«
Da Thea nichts weniger wünschte, als dieses Thema zu vertiefen, stimmte sie zu. »Kein Problem. Also, Molly, ich brauche deine Hilfe. Ich weiß nicht, an wen ich mich sonst wenden soll.« Molly half gern, und ein bisschen Schmeichelei würde auch nicht schaden.
»Hm.«
»Ich bin ziemlich fest davon überzeugt, dass Rory ein genialer Maler ist. Ich brauche jemanden, der sich seine Bilder ansieht, doch ich weiß nicht, wer dafür infrage kommt. Ich werde ein paar Dias davon machen. Könntest du dir wohl überlegen, wem ich sie schicken könnte?«
Molly verstummte für eine Weile, ein seltenes Erlebnis, das Thea normalerweise zu schätzen gewusst hätte. Aber jetzt machte es sie nur nervös. »Ich werde dich zurückrufen«, versprach Molly schließlich. »Hast du deine Nummer zur Hand? Und die Adresse? Ich melde mich wieder. Mach schon mal ein paar gute Aufnahmen. Hast du eine anständige Kamera?« Von Theas Leica M4, einer leise arbeitenden, unauffälligen Kamera ohne ein- und ausfahrbares Phallussymbol und ohne anderen Schnickschnack hielt Molly offenkundig nicht viel.
»Ja. Meine Leica ist erstklassig. Ich muss mir ein paar Diafilme besorgen, aber die sollte ich hier irgendwo bekommen.«
»Ich werde mich an David Knocks wenden, den Leiter der Kunstakademie, weißt du. Er wird mir sagen können, wer für die Sache der Richtige ist.«
»Fabelhaft. Vielen, vielen Dank, Molly. Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann.«
»Dich auf mich zu verlassen? Ja, ja, aber du kannst doch nicht einfach auf und davon gehen, Thea ...«
»Genau genommen, Molly, habe ich das ja bereits getan. Wärst du wohl so lieb und würdest die Miete für mich einsammeln und auf mein Konto einzahlen? Ich habe es bei der Bank an der Ecke. Unter meinem Namen. Du bist ein Schatz.« Thea hängte ein und bedankte sich im Geist bei Petal, der sie offenbar abgeschaut hatte, wie man Menschen manipulierte.
Susan kam ins Zimmer, als Thea ihr Telefonat gerade beendet hatte. Sie war ungefähr zwanzig, hatte eine zarte, von Sommersprossen übersäte Haut, gebogene Wimpern und Haar, das sich über ihrer hohen Stirn zu festen, kleinen Löckchen kringelte. Was wäre sie für eine göttliche Schönheit gewesen, dachte Thea, wenn sie sie nicht so misstrauisch angesehen hätte. »Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass ich hier bin.« Sie wollte Susan etwas besänftigen. »Ich versuche, Ihnen nicht in die Quere zu kommen.«
»Ich bin wegen Rory besorgt. Gewöhnlich lässt er nicht einfach seine Arbeit liegen, um jemanden vom Flughafen abzuholen«, erwiderte sie und warf den Kopf zurück. »Er hat auch nicht oft Gäste. Er arbeitet gern ungestört. Normalerweise.«
Die Abweichung vom Üblichen war offensichtlich allein Theas Schuld. Sie versuchte wie jemand zu wirken, der Rory niemals stören würde, nicht einmal, wenn es irgendwo brannte.
»So, und wie heißen Sie?«, wollte Susan wissen. Die Frage »Warum sind Sie hier?« stellte sie zwar nicht, aber es war offenkundig, was sie interessierte.
»Ich heiße Thea. Ich bin gestern Abend gekommen, um eine Weile hier bei Rory zu bleiben. Es war eine spontane Entscheidung. Er wusste nicht, dass ich kommen würde. Und ich wusste nicht, dass er mit einem Auftrag in Terminschwierigkeiten ist. Sonst wäre ich nicht gekommen.« Thea war sich selbst nicht ganz sicher, ob das der Wahrheit entsprach. »Ich werde für mich selbst sorgen. Und ich erwarte nicht, dass er mir die Gegend zeigt oder so etwas. Und ich werde versuchen, Ihnen keine Arbeit zu machen.«
»Die Arbeit macht mir nichts aus.« Susan betonte das Wort, um deutlich zu machen, dass sie an Theas Anwesenheit Anstoß nahm und nicht etwa an ein wenig Abwasch.
»Den Abwasch von gestern Abend habe ich schon erledigt.« Thea klang wie Petal, wenn diese versuchte, ihre Vermieterin zu besänftigen.
»Ich hab es gesehen. Und ein Essen gekocht, nehme ich an.« Sie warf Thea einen Blick zu, der einem Stirnrunzeln so nahe kam wie eben möglich, ohne zu offensichtlich grob zu sein. »Gewöhnlich koche ich etwas, das Rory sich dann aufwärmen kann. Gestern war mein freier Tag.«
»Nun ja, er meinte, er hätte vorgehabt, in
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