Sommernachtsgeflüster
aber sie nahm sich fest vor, früh aufzustehen und die Küche in Ordnung zu bringen. Ihr ging durch den Sinn, dass ihre Mieter sich nicht die Mühe machten, nach ihren nächtlichen Mahlzeiten die Küche aufzuräumen, weil sie sich sagten: »Das wird Thea morgen früh schon erledigen.« Wie würden sie jetzt wohl zurechtkommen? Wenn ihr morgen danach war, würde sie mal anrufen und ihren Aufenthaltsort durchgeben. Aber nur, wenn ihr danach war.
Rory und Thea sagten einander in aller Freundschaft Gute Nacht - er flirtete und neckte sie nicht mehr, als nötig war, um seine Gefühle für sie unmissverständlich klar zu machen. Thea ging zu Bett und wünschte sich halb und halb, die Art Frau zu sein, die einfach unter seine Daunendecke kroch und sich von ihm verführen ließ. Aber so sehr sie es sich vielleicht auch gewünscht hätte - irgendwie ging es nicht. Allerdings konnte es gut sein, dass sie nach ein paar Nächten bei diesen Temperaturen den starken Wunsch verspürte, sich bei jemandem anzukuscheln.
Sie kramte in ihrem Kulturbeutel nach der Zahnbürste und stellte sich Petals Entsetzen vor, falls sie herausfand, was hier vor sich ging - Thea mit einem Gespielen und dann noch einem so gut aussehenden. Thea hatte mitbekommen, wie Petal sich mit einer ihrer Kommilitoninnen darüber unterhalten hatte, dass Thea einem ihrer netten, aber langweiligen Freunde den Laufpass gegeben hatte. »Ich weiß, dass mit ihm nicht viel los war«, hatte sie gesagt, »aber wen bekommt sie denn in ihrem Alter noch?«
»Fünfunddreißig ist für Mädels das ideale Alter«, flüsterte Thea sich selbstgefällig vor, als sie sich zum Schlafen in die Kissen kuschelte. »Damit du's nur weißt, Petal!«
Susan, die »Kleine« aus der Nachbarschaft, fand das Haus überraschend aufgeräumt vor, als sie am nächsten Vormittag gegen elf erschien. Sie war allerdings nicht allzu erfreut, Thea anzutreffen, und zwar nicht, wie Thea messerscharf schloss, weil der Abwasch schon getätigt worden war. Susan war ganz gewaltig in Rory verknallt.
Rory schenkte Susan ein freundliches, sorgloses Lachen, das ihn als nicht allzu anspruchsvollen Arbeitgeber auswies. »Hi, Susan. Thea wird ein Weilchen hier bleiben. Sie hat das Schlafzimmer vorn, vielleicht würdest du da einmal kurz durchgehen. Komm, Thea«, bat Rory, der nicht zu den Frühaufstehern gehörte. »Ich werde dir das Atelier zeigen, während Susan hier sauber macht. Du ziehst am besten eine von meinen Jacken an.«
Thea versuchte es bei Susan mit einem schwesterlichen Lächeln, um zu zeigen, dass sie beide gleichermaßen durch faule Männer unterdrückt würden, aber Susan ging nicht darauf ein. Vielleicht taut sie später auf, dachte Thea, während sie Rory den Hügel hinauf folgte.
Das Atelier war ein großer Schuppen mit Fenstern vom Boden bis zur Decke. Der große Raum war jetzt, im April, entschieden zu kalt; im Winter fielen die Temperaturen sicher auf arktische Werte. In der Ecke stand ein Holzofen, aber er war so klein, dass er wohl kaum viel ausrichten konnte.
»Sie merken schon, warum ich die Gelegenheit genutzt habe, um in der Provence zu malen. Der alte Cézanne konnte sich wirklich glücklich schätzen bei dem zeitigen Frühjahr und dem heißen Sommer dort. Obwohl mein Ofen hier erstaunlich einheizt. Ich werde ihn gleich anzünden.«
Thea ging zu einer riesigen Staffelei hinüber, die mit einem Tuch bedeckt war. Das Bild darunter musste fast so groß sein wie eine der Wände des Cottages. Rory trat ihr in den Weg.
»Dieses Bild ist noch nicht fertig. Und das da ist eins von der Sorte, mit der ich mir die Butter und das Brot verdiene. Und den Whiskey.« Er deutete auf das mittelgroße Bild eines Pferdes.
Es war ein altmodisches Bild, das den großen Reichtum des Auftraggebers zur Schau stellte, aber es war schön gemalt. »Und, ist es sehr naturgetreu?«, fragte sie ihn, um ihn etwas zu necken.
»Natürlich. Ich könnte gutes Geld verdienen, wenn ich nur Rennpferde malte.« Er zog ein Gesicht. »Meine Tante, die Witwe des Onkels, der mir das Haus vermacht hat, fragt mich oft, warum ich es nicht tue. Es sei ein sicherer Lebensunterhalt, und schließlich sei Malen doch Malen, oder nicht?«
»Nein«, beantwortete sie die Frage für ihn. »Das ist ein Job, und das andere ist Ihr Leben.«
Der Blick, den er ihr zuwarf, war mehr als eine Belohnung für ihr Verständnis. Sie nahm einen zerbeulten Zinnbecher zur Hand und wechselte das Thema, weil sie Rory nicht dazu bringen wollte,
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