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Sommernachtszauber (German Edition)

Sommernachtszauber (German Edition)

Titel: Sommernachtszauber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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rangen um seine Seele.
    In seinem Mund breitete sich ein süßer Geschmack aus. So schmeckte Ambrosia, die Götterspeise. Die Musen holten ihn an ihren Tisch, Thalia saß in ihrer Mitte und er zu ihrer Rechten. Er schwebte, flog und sah die Welt von oben. Wie klein und unwichtig alles war.
    Alles, außer Caroline.
    Die Musik wurde voller und hüllte ihn ein. Sie rann wie frisches Blut durch seine Adern und verhieß ihm ein ewiges Leben anderer Art. Es war das weichste und wärmste aller Lager. Wie sehr hatte er sich danach gesehnt!
    »Ich bin frei«, flüsterte er. »Caroline, ich bin frei –«
    Er breitete die Arme aus und stieß sich ab, wie Ikarus der Sonne entgegen. Johannes flog, mitten in ein Licht hinein, das heller brannte als alles andere. Ein Licht, mit dem er eins werden würde.
    »Da bist du ja, mein Freund«, flüsterte Johannes noch.

Als Caroline die Wohnung betrat, schwebte sie noch immer wie auf Wolken. Sie hatte sich nicht getäuscht. Johannes und sie gehörten zusammen. Niemand verstand sie so wie er, und niemand kannte ihn so, wie sie es nun tat. Dieses Gefühl zusammenzugehören war durch nichts zu ersetzen. Ihr wurde wieder warm vor Glück, wenn sie an ihn dachte.
    Im Gang schlüpfte sie aus den hochhackigen Schuhen, die mit dem Kleid gekommen waren. So weckte sie wenigstens niemanden auf. Sie raffte ihren Rock und wollte schon in ihr Zimmer schleichen, als sie das Licht bemerkte, das durch den Spalt unter der geschlossenen Küchentür in den Flur drang.
    Nanu? Da musste jemand vergessen haben, in der Küche die kleine Lampe auszuschalten. Gleichzeitig fröstelte sie, und zog sich die alte Tweedjacke enger, die aus dem Fundus stammen musste. Johannes hatte sie ihr fürsorglich um die Schultern gelegt, ehe sie gegangen war. Stand da in der Küche ein Fenster offen? Caroline seufzte. Das war bestimmt Michi gewesen, der noch seine Hasen gefüttert hatte. Ob er schon schlief?
    Sie schlich auf Zehenspitzen zu seinem Zimmer und stieß die Tür auf, die nur angelehnt war. Wenn sie sonst vom Weggehen nach Hause kam, ging sie immer noch einmal auf Zehenspitzen in sein Zimmer, um in sein kleines, schlafendes Gesicht zu sehen
    Es dauerte einige Sekunden, bis ihre Augen sich an das Dunkel im Jungenzimmer gewöhnt hatten. Dann schälten sich die Poster und Bücherregale aus dem Dämmer; auf dem Teppich war Lego verstreut und Papier und Stifte lagen zwischen den bunten, harten Teilen. Caroline lächelte. Sie war so glücklich, dass sie mit niemandem streng sein wollte. Dann ging sie zu Michis Bett und legte ihre Hand auf die Decke. Sie war kühl und flach. Caroline berührte das Kopfkissen. Sie spürte den glatten Stoff, sonst nichts. Das Bett war leer! Sie erschrak und schaltete die Nachttischlampe an. Kein Michi.
    »Michi?«, rief Caroline und sprang auf. »Wo bist du? Versteckst du dich?« Sie riss seinen Kleiderschrank auf, der einzige Platz, wo er hätte sein können. Auch hier – kein Michi. Sie lief in ihr Zimmer, doch ihr Bett war ebenso leer wie seines, und als sie in das Zimmer ihrer Mutter sah, lag diese allein und schlief tief. Das Wohnzimmer war ebenfalls dunkel und menschenleer. Caroline stand wie angewurzelt im Gang. Dann drehte sie sich langsam um. Ihr Blick fiel wieder auf den Lichtstreifen unter der Küchentür.
    Ihr schauerte vor Entsetzen, denn sie verstand: Es war so kalt, weil die Balkontür offen stand. Langsam, ganz langsam ging sie auf die Tür zu.
    Sie legte ihre Hand an die Klinke, doch ihre Finger zitterten zu sehr. Das konnte nicht sein. Sie schluckte und zwang sich, die Tür zu öffnen. Ein Windstoß kam ihr entgegen, der die Netzgardine vor der Balkontür aufwirbelte. Draußen in der Septembernacht braute sich ein Herbstgewitter zusammen. Gänsehaut bildete sich auf ihren nackten Armen. Die Küche war leer im grellen Neonlicht der Deckenlampe, die nun einige Male unentschieden zuckte. Wie immer, wenn sie schon lange brannte. Wie lange schon?
Zu
lange.
    Bitte, bitte nicht, flehte Caroline stumm. Sie war doch gerade noch so glücklich gewesen. Ihr war kalt, aber nicht mehr von dem Luftzug und dem Herbstwind. Die Kälte kam tief aus ihrem Inneren.
    Sie wagte kaum, einen Schritt vor den anderen zu setzen, doch hier vom Eingang aus konnte sie nicht den gesamten Balkon überblicken. Sie musste hinaus! MUSSTE. Ihre Füße fühlten sich an wie Bleiklumpen. Was würde sie dort sehen? Etwas, das sie ihr Leben lang mit Entsetzen erfüllen würde? Plötzlich konnte sie es nicht mehr

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