Sommernachtszauber (German Edition)
leichten Atem zu hören. Sie hatte alles gefühlt , das war klar, dachte er zufrieden. Es war nur eine kurze Szene gewesen, die aber Julias Intelligenz und Entschlossenheit zeigte. Es war Judiths Spiel nahegekommen. Aber es war anders und gerade das gefiel ihm. Auch wenn diese Caroline hier noch viel zu lernen hatte.
Denn wenn sie immer so spielte und sich immer so verausgabte, wie sollte sie dann die Kraft dazu finden, an jedem Abend vor ihr Publikum zu treten und all das zu geben? Ein echter Schauspieler wusste sich auch zurückzuhalten, sich aufzusparen. Johannes umschlang ein Knie mit seinen Händen und lehnte sich lässig am Bühnenrand zurück.
Was kam nun?
Carlos räusperte sich, als Caroline langsam aufstand. Sie suchte Halt und dieser Ben reichte ihr instinktiv seine Hand.
Johannes fuhr auf, zwang sich aber sofort zur Ruhe. Das hier war nicht Judith und heute war nicht damals. Er konnte nichts tun, als zuzusehen. Die Hoffnungslosigkeit überkam ihn wie ein dichter schwarzer Vorhang.
»Danke«, murmelte Caroline. Sie ließ Bens Hand los und machte einen Schritt nach vorn.
Johannes beruhigte sich etwas. Er war bereit gewesen, Ben die schwere Lampe auf den Kopf fallen zu lassen, obwohl der ja eigentlich nur getan hatte, was recht war. Was war nur los? Weshalb empfand er so viel Abneigung gegen Ben? Nur weil ihn die Dunkle dort an Judith erinnerte? Mehr noch, weil die Dunkle, wie er Caroline für sich nannte, Judiths Bild überdeckte und mit frischem, neuem Leben füllte? Der Gedanke erschreckte ihn und er verjagte ihn augenblicklich.
»Vielen Dank, Caroline«, sagte Carlos. »Das war sehr gut. Die Nächste und Letzte bitte. Mia Weiss.«
Caroline setzte sich in den Schatten der Kulissen und die zarte Blondine trat vor.
»Welche Passage spielst du?«, fragte Carlos.
»Dritter Aufzug, fünfte Szene.«
»Aha. Der Morgen danach. Du kannst anfangen, Mia. Ben, lies den Romeo. Kannst gleich in Rolle sein, wenn du schon da bist!« Carlos klang noch immer grummelig, und Ben schnitt eine Grimasse, aber so, dass Carlos ihn nicht sah.
Mia war ebenfalls in Rolle, fand Johannes, denn sie warf sich Ben augenblicklich an den Hals, der ihre Wucht nur mit Mühe abfing.
»Willst du schon gehen? Der Tag ist ja noch fern. Es war die Nachtigall und nicht die Lerche …« , keuchte sie.
Johannes zog die Knie an und wartete gespannt auf Bens Scheitern. Mal sehen, wie dieser Typ sich in seiner Rolle schlug. Nein, nicht seiner, sondern meiner , entschied Johannes und trommelte mit den Fingern lautlos auf die Bühnenbretter.
Mias Stimme klang überzogen, als sie die Worte herunterratterte, um sich selbst in Szene zu setzen, statt Romeo zu überzeugen, bei ihr zu bleiben und sie noch einmal zu lieben. Sie schien sehr nervös und kam zu schnell bei ihren letzten Worten an.
Stets hell und heller wird’s, wir müssen scheiden!
Ben schob sie von sich und sagte noch: »Stets heller – und stets dunkler unsre Leiden!«
Mia drehte sich von Ben weg. Sie sah Carlos abwartend an. »Und?«, fragte sie leise.
Der studierte noch eine Weile seine Notizen, ehe er seine Brille abnahm und sich müde über die Augen strich. Simone mit der Monobraue nahm ihm seinen Block ab und übertrug sein Gekritzel augenblicklich ins iPad.
»Danke, meine Damen. Das war ein langer Nachmittag und Sie alle haben Ihr Bestes gegeben. Ich sage in einigen Tagen Ihren Agenten Bescheid oder melde mich bei Ihnen. Ich bin tief berührt von all dem Talent, das ich heute gesehen habe. Ben, du bleibst noch?«
»Sicher. Wir können noch einen trinken gehen.«
»Oder zwei«, meinte Carlos düster.
»Du redest von dir selber, oder?«, entgegnete Ben.
Die meisten Mädchen gingen nun langsam zurück in die Garderobe, nur Caroline setzte sich ebenfalls an den Bühnenrand. Johannes rutschte rasch beiseite, sonst wäre sie auf seinem Schoß gelandet. Sie schien auf Mia zu warten, die gerade Ben ihre Hand entgegenstreckte: »Hallo. Ich bin Mia. Mia Weiss.«
»Weiss. So wie Rix Weiss? Der Schauspieler?«
»Genau. Wie Rix Weiss und Katharina Hagendorf. Meine Mutter ist schließlich auch Schauspielerin.«
»Sorry. Aber damit auch Weiss wie Friedrich und Joachim Weiss.«
»Du kennst deine Theatergeschichte ganz gut«, sagte sie kokett.
Johannes horchte auf: Einer der letzten Filme, den seine Mutter vor seiner schicksalhaften Premiere gedreht hatte, war ein Werk eines Regisseurs namens Friedrich Weiss gewesen. Er erinnerte sich vage an einen jungen Mann mit Aknenarben
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