Sommernachtszauber (German Edition)
den Schultern. »Na, irgendwas Sicheres eben.«
»Etwa so was wie beim Arbeitsamt? Was soll ich da machen? Braune Briefe verschicken? Wie du sie immer bekommst?«
Ihre Mutter schenkte sich schweigend den Kaffee aus der roten Plastik-Thermoskanne ein. Ihr Gesicht sah plötzlich grau und eingefallen aus. Caroline gab auf. Es hatte keinen Sinn, diese Diskussionen zu führen. »Tut mir leid, Mama. Aber verstehst du denn nicht? Wenn ich jetzt nicht versuche, meine Träume wahr zu machen, wann dann?«
»Träume.« Wie bitter dieses süße Wort aus dem Mund ihrer Mutter klang! Caroline wusste, was für ein hartes Geschäft Theater und Film waren. Ja, vielleicht würde sie es nie schaffen. Vielleicht blieb sie auf der Strecke, ausgehöhlt von leeren, unerfüllten Hoffnungen. Aber vielleicht klappte es eben doch und sie schaffte es bis ganz nach oben.
Allein diese Hoffnung war besser als das Leben, das sich in Gestalt ihrer Mutter deprimierend vor ihr ausbreitete.
»Genau. Träume«, sagte sie deshalb so ruhig wie möglich. Sie hielt sich an ihrer Kaffeetasse fest, damit ihre Finger nicht zu sehr zitterten.
Ihre Mutter schnaubte verächtlich durch die Nase. »Von Träumen wirst du nicht satt. Dein Vater hatte davon auch jede Menge: Träume . Und ich bin drauf reingefallen. Aber seine Geschichten, die uns so reich und glücklich machen sollten, wollte ja keiner lesen. Also hat er sie alle im Kopf behalten. Bis er durchgedreht ist. Reif für die Klapsmühle war er am Ende vor Enttäuschung.«
»Bitte, Mama …«, begann Caroline. Sie wollte nicht, dass ihre Mutter so vor Michi über ihren Vater sprach. Der Kleine krümmte sich am Küchentisch über seinen Fußballbildern zusammen. Jedes ihrer Worte musste wie ein Schlag für ihn sein.
Ihre Mutter zuckte mit den Schultern. »Ich meine nur: Du musst ausgezeichnet sein. Und das ist ein hartes Geschäft, das weißt du ja, meine Große.«
Michi stand auf. Er sah blass aus. »So. Genug geklebt. Ich will Fußball spielen. Stehst du im Hof Schmiere, Caro? Falls die Nachbarn kommen …«
»Klar, mache ich. Bis später, Mama.« Sie umarmte ihre Mutter kurz und atmete dabei ihren Geruch nach Schlafzimmer ein. Etwas in ihr zog sich schmerzhaft zusammen, und sie war froh, der beklemmenden Atmosphäre in der Küche zu entkommen. Dennoch drückte sie noch einmal kurz die Schulter ihrer Mutter, ehe sie aus der Tür schlüpfte.
Ihre Mutter sah nur stumm und müde in ihren Kaffee, als könnte sie auf dem Boden der Tasse die Zukunft lesen. Eine Zukunft, so bitter, dunkel und hoffnungslos, wie Caroline sie nicht haben wollte.
» Du hast die Rolle bekommen?« Mias Stimme klang leicht schrill durchs Telefon, ehe sie sich fing. »Das ist ja TOLL.« Dann: kurze Pause, aber eben nicht kurz genug. »Ich freue mich für dich. Ehrlich.«
Wenn Caroline selbst ehrlich sagte, konnte man am ehesten mit Unehrlichkeit rechnen. Sie seufzte. Aber durch dieses Gespräch mit Mia musste sie durch. Oder mussten sie beide durch. Sie waren Freundinnen und würden das packen. Früher oder später wäre so etwas sowieso passiert. Außerdem musste sonst Caroline immer zusehen, wie Mia absahnte – und hielt trotzdem zu ihr.
»Ja. Unglaublich, oder?«
Mia schwieg wieder kurz. »Na, so unglaublich nicht. Du bist wirklich begabt. Das hat auch mein Vater gesagt, als er dich in unserem Stück an der Schule gesehen hat.«
»Das reicht nicht. Begabt sind viele. Ich muss hart arbeiten. Und ich hab keine Ahnung, ob ich wirklich gut genug bin …«
»Sicher«, sagte Mia, aber ihre Stimme klang, als wollte sie am liebsten auflegen. Das musste sie erst mal verdauen, wurde Caroline klar, als Mia noch hinzufügte: »5 Prozent Inspiration und 95 Prozent Perspiration, das wissen wir ja.«
Caroline beschloss, den Stier bei den Hörnern zu packen: »Bist du enttäuscht, Mia? Klar ist es hart, wenn sich zwei Freundinnen um dieselbe Rolle bewerben. Und wenn du sie bekommen hättest, wäre ich auch ein klein wenig neidisch gewesen.«
Mias Stimme klang beinahe erleichtert, als sie sagte: »Ich bin enttäuscht. Und mehr als nur ein klein wenig neidisch. Ich bin GRÜN vor Neid, okay? Nicht gerade kleidsam. Aber weißt du was? Ich gönne dir trotzdem deinen Erfolg von Herzen, Caro, glaub mir. Wenn eine das verdient, dann du.«
»Hat Carlos denn mit dir gesprochen?«
»Ja, hat er«, kam es knapp von ihr.
»Und?«
Mia schnaubte und klang plötzlich, als wäre sie den Tränen nahe. »Was denkt der sich eigentlich? Will er mich
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