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Sommernachtszauber (German Edition)

Sommernachtszauber (German Edition)

Titel: Sommernachtszauber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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während sie beide ihren letzten Atemzug taten. War das Liebe gewesen? Ihre verquere, aber absolute Art von Liebe? Sie hatte alles gehört, aber doch nicht hören wollen.
    Er erinnerte sich an seinen Tod hier auf der Bühne des Fasanentheaters . Liebe war ein Tier, das sich sein Leben von den Lippen leckte, jeden Tag wieder. Welche Macht hatte Judith besessen, als sie den Fluch ausgesprochen hatte? Was immer es gewesen war, die Liebe hatte ihr die Berechtigung dazu gegeben.
    Er hatte alles nur der Liebe zu verdanken. Oder besser: Die Liebe war an allem schuld. Sie hetzte ihn wie eine Rachegöttin durch die endlosen Jahre, und nirgends saß ein altes Weib am Spinnrad, das gnädig irgendwann seinen Lebensfaden abschnitt. Er war so MÜDE. Und doch machte ihn der Anblick dieses dunklen Mädchens dort wieder auf eine Weise wach, die er vergessen hatte. Was hatte sie über die Liebe zu sagen? Er war neugierig.
    Carlos nickte. »Schön gesagt. Wer war denn deine erste Liebe, Ben? Erinnerst du dich an sie?«
    »Natürlich erinnere ich mich an sie. Es war die Aushilfe bei unserem Bäcker ums Eck. Ich war sieben oder acht. Sie hatte lange rote Zöpfe, Sommersprossen auf Ausschnitt und Armen und roch herrlich nach warmem Brot.«
    »Wie nahe bist du ihr denn gekommen, dass du das riechen konntest?«, grinste Klaus, der den Mercutio spielte.
    Johannes musterte ihn aufmerksam. Dieser Mercutio war offensichtlich schon in die Rolle des schalkhaften, scharfzüngigen und doch weisen veronesischen Adligen geschlüpft, der seinen Charakter mit seinem Leben bezahlte.
    Ben zuckte mit den Schultern. »Ich war eben schon damals ein guter Schauspieler und habe so getan, als wollte ich Bäcker werden. Da hat sie mir die Backstube gezeigt. Auf zwei großen Tischen lagen die Gitter, auf denen Gebäck kühlte. Die Öfen glühten und es herrschte Affenhitze. Ihre Haut glänzte rosig.«
    »Und dann?«, fragte Carlos.
    »Was – dann? Ich war damals sieben Jahre alt, Herrschaften. Wir setzten uns auf zwei umgedrehte Eimer zwischen die Mehlsäcke. Sie sagte: ›Mach das nicht, Junge. Musst immer um fünf aufstehen und fällst abends todmüde ins Bett.‹ Dann hat sie mir ein Hörnchen geschenkt und mir über die Wange gestreichelt. Ich habe mich tagelang nicht gewaschen und deswegen Dresche von meinem Großvater riskiert, dem alten Sauberkeitsfanatiker. Das Hörnchen habe ich nicht gegessen, sondern in einer Schublade versteckt, wo ich es Jahre später steinhart und verschimmelt fand. Das ist Liebe.«
    »Hast du sie je wiedergesehen?«
    »Klar. Ich bin Brötchen holen gerannt, wann immer nur möglich. Aber heute ist die Bäckerei eine schicke Boutique, und was aus meiner schönen Bäckergesellin geworden ist, weiß ich nicht.«
    »Die Geschichte gefällt mir. Du kannst also verstehen, wenn Romeo über Mauern klettert, um Julia zu sehen.«
    Ben sah Caroline kurz an, die ihren Kopf gesenkt hielt. »Ja, das kann ich«, sagte er. »Ich würde für die Liebe jede Mauer der Welt erklimmen.«
    Oder ein Kugellager schmieren, dachte Johannes noch einmal spöttisch.
    »Und du, Klaus? Mercutio?« Carlos’ Stimme klang lockend. Klaus biss sich auf die Oberlippe, auf der schwach der Schatten einer Narbe zu sehen war. Alles in seinem Gesicht war schmal: Augenbrauen, Augen, Nase, Lippen.
    »Also, viel Glück habe ich bei Frauen bisher nicht gehabt«, gab er zu.
    Axel und Thomas, die Graf Paris und Tybald spielten, kicherten, doch Carlos donnerte: »Schnauze, ihr Anfänger. Ihr kommt später noch dran.«
    »Es muss ja nicht die Liebe zu einem Mädchen sein, oder?«, warf Caroline helfend ein. »Liebe hat viele Gesichter. Was ist mit deinen Eltern? Oder deinem Hund? Gehört zur Liebe nicht, dass sie uneingeschränkt ist?«
    Johannes nickte langsam.
    Carlos sah Caroline scharf an, die unter seinem Blick rot wurde. »Ja genau. Alles ist Liebe, egal, für wen oder was du es empfindest. Erzähl uns doch von deiner Mutter«, schlug er vor.
    Klaus sah erschrocken auf. »Meine Mutter? Warum das denn?«
    »Warum denn nicht?«, fragte Carlos lauernd.
    Johannes pfiff leise durch die Zähne. Dieser Carlos hatte doch mehr auf dem Kasten. Nach der Mutter konnte man immer fragen: Das war immer gut. Carlos wirkte wie ein Bluthund, der eine Fährte aufgenommen hatte.
    Klaus sah auf seine Hände. »Meine Mutter ist weg«, sagte er dann leise.
    »Weg? Wohin weg?«
    »In den Westen, als es ihn noch gab. Ich war damals erst zwei oder drei.«
    »Hat sie dir geschrieben? Oder angerufen?

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