Sommernachtszauber (German Edition)
sie gab jedem Augenblick neue Bedeutung. Er hatte das Gefühl beinahe vergessen, so wie man es eben vergaß, wenn man nicht schlafen oder essen musste.
»Was denn?«, fragte Ben, stellte einen Fuß auf die Schlafcouch und stützte sich auf sein Knie.
Caroline zuckte mit den Schultern. »Umm … ist ein Geheimnis, okay?«
Ben grinste. »Schon gut. Jede Frau braucht ihre Geheimnisse, Caroline.«
Schleimer, dachte Johannes. Gibt sich hier als Frauenkenner aus. Hinterhof-Casanova.
Ben aber sprach weiter: »Was immer es ist, vielleicht kannst du es auch noch nach einem Glas Wein machen? Komm, das Wetter ist so schön. Lass uns vor lauter Proben nicht vergessen, dass Sommer ist. Ich kenne ein nettes Lokal am See.«
Caroline stand auf und schob sich die Träger ihres dünnen Seidennachthemds zurecht. Ben sah sie hungrig an und Johannes ballte wieder die Fäuste. Er spürte plötzlich denselben Hunger auf ihre honigfarbene Haut, ihren geraden, stolzen Rücken und die langen glatten Schenkel. In ihm brannte ein Feuer, das er lange erloschen geglaubt hatte. Ein irres Gefühl, nach dem er süchtig werden konnte.
»Caroline …«, begann Ben und blickte sich rasch um. Sie waren allein, bemerkte Johannes. Die anderen hatten schon ihre Sachen gepackt.
Sie sah auf und musste ebenso wie Johannes den Ernst in Bens Augen bemerkt haben.
»Was?«
»Caroline, ich …«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Ben. Bitte nicht.«
Er sah sie gequält an. »Aber weshalb denn nicht? Hör mich doch wenigstens an …«
Johannes wollte sich keine Sekunde dieses Gesprächs entgehen lassen. Sie will dich nicht, kapierst du das nicht? Sie kommt abends zu mir, nicht zu dir. Aber: Kam sie, weil sie besser spielen oder weil sie bei ihm sein wollte? Der Gedanke schmerzte. Er brauchte eine Antwort auf diese Frage.
»Lass uns einfach Kollegen sein, okay? Und vielleicht Freunde. Dann komme ich gerne mit an den See«, sagte Caroline gerade vorsichtig. »Aber lieber morgen als heute.«
Ben machte trotz ihrer Abfuhr einen kleinen Luftsprung, der Caroline zum Lachen brachte. Wie hübsch sie war, wenn sie so lachte. Wenn alle Sorge, aller Zweifel aus ihrem Gesicht, ihrer Seele wie fortgeblasen waren.
»Yippie! Das ist doch schon mal was! Wirst schon sehen, ich beiße nicht!«, jubelte Ben.
Aber ich , dachte Johannes grimmig. Ich beiße. Typen wie dich habe ich schon gefressen. Aber erst einmal hatte er Heimvorteil. Caroline kam heute Abend zu ihm und ging nicht mit Ben weg. Zu ihm !
Aber was, wenn sie ihr Versprechen wahr machte und morgen mit ihm ausging? Er verjagte die Idee. Kommt Zeit, kommt Rat, kommt eine Taktik gegen Ben. In seinen Adern kribbelte es vor Aufregung und Vorfreude bei dem Gedanken an die Stunden mit ihr. So allein und ganz intensiv. So ganz Caroline.
»Wie geht es dir, Carlos?«, fragte Caroline am nächsten Morgen, als er zu spät ins Theater kam, seine abgewetzte Aktentasche auf seinen Stuhl schleuderte und eine blasse Simone anknurrte, ihm einen Kaffee zu holen. Als er davon trank, verzog er angewidert das Gesicht.
»Ist das etwa Instantkaffee?«
Simone zuckte mit den Schultern. »Was denn sonst? Solange ich nicht zaubern kann, ja. Starbucks war in deiner jetzigen Laune zu weit weg und Kaffeepulver ist alle.«
»Instant! Da kann ich gleich kochendes Wasser über Mäusedreck schütten. Sieht genauso aus, riecht genauso, schmeckt genauso.«
»Sind das Erfahrungswerte? Jetzt maul nicht, sondern trink. Dann geht es dir besser.«
Caroline verbiss sich ein Grinsen und musste Simone wieder für die ruhige, bestimmte Art bewundern, auf die sie mit Carlos umging.
»Mir geht es überhaupt nicht«, sagte er mit Grabesstimme. »Das kann man hier alles in die Tonne treten.«
Caroline und die anderen warfen sich fragende Blicke zu. Ben zuckte mit den Schultern und Mia blies sich theatralisch eine Haarsträhne aus der Stirn. Sie alle hatten schon einige Zeit auf Carlos gewartet.
»Das kann ja heiter werden«, murmelte Gräfin Capulet.
»Weshalb, was ist denn passiert?« Caroline entschied sich, den Stier bei den Hörnern zu packen.
»Ganz großer Mist«, seufzte er und raufte sich die Haare. Caroline musste zweimal hinsehen: Glitzerten seine Augen feucht? Was konnte so schlimm sein?
»Spuck’s aus. Geteiltes Leid ist halbes Leid«, sagte sie freundlich.
Er sah sie ebenso erstaunt an wie der Rest des Ensembles. Caroline schluckte und spürte, wie sie rot wurde. Irgendwie war ihr Mittelname nicht mehr Caroline Selbstmitleid
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