Sommernachtszauber
letztes Jahr mit den Schnupperterminen in den umliegenden Dörfern ist ja gut angekommen.«
Sukie nickte. Das stimmte. Wahrscheinlich, weil es kostenlos gewesen war. Die seltsamsten Leute aus Hazy Hassocks, Bagley-cum-Russet und Fiddlesticks hatten sich zum Lippenaufspritzen, für Kopfmassagen und Pediküren angemeldet. Die Leute auf dem Land waren immer total begeistert, wenn sie etwas umsonst bekommen konnten, selbst wenn sie es eigentlich gar nicht wollten.
Jennifer rückte vor einem der pfirsichfarben beleuchteten Spiegel ihr dunkelrotes Haar zurecht. »Nachher gehen wir die Öle und Duftstoffe zusammen durch, die du brauchst. Meine Lieferanten besorgen jedes neue Präparat, und dann kannst du dich hoffentlich ab nächster Woche auf den Weg machen. Nach der Anzeige im Winterbrook Advertiser von letzter Woche hatte ich schon mehrere Anfragen.« Sie hörte auf, an ihren Haaren herumzudrücken und zu zupfen, und sah wieder zu Sukie. »Ach, entschuldige, dass ich schon wieder über die Arbeit rede. Du armes Ding – weißt du, ich hatte eigentlich kaum damit gerechnet, dass du heute kommst – du siehst wirklich schrecklich aus …«
»Danke.«
»Ich mach noch einen Kaffee, okay? Vielleicht hilft das ja.«
Sukie bezweifelte, dass irgendetwas helfen würde, außer Schlaf, Schlaf und noch mehr Schlaf, nickte aber dankbar, worauf sich Jennifer in ihrem eigenen aufreizenden Overall raschelnd in die winzige Teeküche von Beauty’s Blessings begab.
Aus dem kalten Märzmorgen war ein kalter grauer Nachmittag geworden, und nicht einmal die warmen Farbtöne und noch wärmeren Düfte, die den Salon erfüllten, konnten Sukies gedrückte Stimmung heben. Lampen glommen unter pfirsichfarbenen Schirmen, und ein Klassiksender sorgte leise für geschmackvolle Hintergrundmusik. Sukie wusste, dass Jennifer sich mit Leib und Seele dem Salon verschrieben hatte, von dem dicken Batzen hart verdienten Geldes ihres Ehemanns Lance, den sie hineingesteckt hatte, mal ganz zu schweigen. Der Laden lief gut, aber irgendwie bezweifelten sie beide, dass sich im ländlichen Berkshire jemals wirklich ein Kundenkreis für indisches Augenbrauen-Fädeln, Kaviar-Gesichtsmasken, Schokoladen-Körperpackungen oder gar chemisches Hautpeeling fände.
Seit der Eröffnung von Beauty’s Blessings im vergangenen Sommer gab es regelmäßige Nachfrage für Gesichtsbehandlungen und Maniküre, und dank einer konzertierten Briefkasten-Aktion nach Weihnachten wurden auch die Massagen und kosmetischen Liftings immer beliebter. Jennifer wollte das Geschäft jedoch unbedingt noch weiter ankurbeln, daher das Angebot individueller Aromatherapie mit Hausbesuch.
Sukie war klar, dass diese Ausweitung des Salons hauptsächlich damit zusammenhing, dass Mitzi, die erste Mrs Blessing, mit ihrem Laden namens Hubble Bubble Country Cooking am anderen Ende der Hauptstraße von Hazy Hassocks so einen Bombenerfolg hatte. Denn Jennifer, die zweite Mrs Blessing, war stets und in allen Bereichen von heftigem Konkurrenzdenken erfüllt.
Beauty’s Blessings befand sich in einem aus Flint und Schiefer erbauten ehemaligen Cottage direkt neben der Zahnarztpraxis von Hazy Hassocks, was Jennifer anfangs gewisse »Zahnschmerzen« verursacht hatte, weil dort Mitzis gut aussehender und sehr viel jüngerer Lebensgefährte als Zahnarzt arbeitete und ihr so viel Nähe eigentlich nicht angenehm war. Obwohl dieses Ladenlokal für Jennifer also sicher nicht die erste Wahl gewesen war, gestaltete sich die Beziehung zwischen Mrs Blessing Nummer eins und Nummer zwei insgesamt recht zivilisiert, und solange niemand unter Jennifers Dach von Mitzis unternehmerischen Fähigkeiten schwärmte, gediehen die beiden Firmen in halbwegs friedlicher Koexistenz.
Ein paar hundert Jahre zuvor hatte das Gebäude, in dem sich Beauty’s Blessings nun befand, wahrscheinlich eine siebzehnköpfige Familie beherbergt, und den Berichten älterer Einwohner zufolge war die Geschichte seiner gewerblichen Nutzung sehr wechselvoll verlaufen. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts diente das Gebäude als Schusterwerkstatt, dann befanden sich darin in rascher Folge ein Graveur, ein Süßwarenladen, ein Bekleidungsgeschäft, ein Immobilienmakler, zwei verschiedene Charity-Shops und zuletzt eine Saft-Bar.
Mit einer Saft-Bar hatten die Leute von Hazy Hassocks leider nichts anzufangen gewusst, und so wurde sie nach sechs Monaten wieder geschlossen.
Infolge von Mitzis Unternehmensgründung und dem großen Erfolg von Hubble Bubble
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