Sommerprickeln
zu buchen, hatte nicht mal Mittagspause gemacht, so dass sie auch Celia hatte aus dem Weg gehen können. Obwohl sie dieser Frau durchaus zutraute, irgendwo in der Nähe zu lauern.
Sie setzte sich wieder an den Schreibtisch und drückte die Schultern durch. »Hallo, Katie. Ich wollte Sie heute eigentlich auch anrufen, bin nur leider noch nicht dazu gekommen.« Sie senkte die Stimme, bis sie kaum mehr als ein Flüstern war, aber vermied es dennoch, Celias Namen auszusprechen. Nur für den Fall. »Also … Sie kennen sie?«
»Oh, ja«, sagte Katie Derscheid. »Sie ist aber … ähm … keine Freundin von Ihnen, oder?«
»Nein«, versicherte Annajane schnell. »Ganz und gar nicht.«
»Na, supi«, sagte Katie. »Dann können wir ja ganz offen reden.«
Annajane lachte kleinlaut. »Sie ist irgendwie ein Rätsel, oder?«
»Sie ist ein Skorpion«, sagte Katie. »Ein absolut tödlicher. Sie hat die Firma, wo ich früher gearbeitet habe, BabyBrands , so richtig verarscht.«
»Ach, wirklich? Die Firma, für die ich arbeite, Quixie, hat diese … ähm … Person als Beraterin eingestellt, weil sie den Ruf genießt, in Marken- und Geschäftsentwicklung eine Art Genie zu sein.«
»Tja, genial an Celia ist ihre Fähigkeit, sich durchs Leben zu lügen«, sagte Katie.
»Hat sie ihre Firma wirklich für zehn Millionen verkauft? Das haben wir hier gehört. Ich glaube, das hat sie sogar selbst angedeutet.«
»Der Kaufpreis lag eigentlich knapp die Hälfte darunter – fünf Millionen«, sagte Katie. »Aber das Geschäft war so strukturiert, dass Celia in gestaffelten Beträgen ausgezahlt wurde. Sie hat für über eine Million in bar an BabyBrands verkauft, aber wird wohl darüber hinaus kein Geld mehr sehen – nicht wenn die Anwälte sich vor Gericht durchsetzen.«
»Ach, du meine Güte«, stieß Annajane aus. »Was ist denn passiert?«
»Schall und Rauch«, gab Katie kryptisch zurück. »Daraus bestand ihre Firma. Als wir Gingerpeachy übernahmen, wurde uns erzählt, es lägen millionenschwere Bestellungen von mehreren Textilketten vor, namhafte Einzelhändler. Wir kauften alles: den Namen, die ausstehenden Bestellungen, den Lagerbestand. Und alles war Schwindel. Die Bestellzahlen waren ins Unermessliche aufgeblasen, und die Lagerware – die gab’s gar nicht. Ein paar Ballen Stoff und eine Tonne Kleider zweiter Wahl, die unserer Meinung nach unverkäuflich waren.«
Annajane riss die Augen auf. »Wie konnte sie das denn so durchziehen?«
Katies Lachen war das tiefe, kehlige Schmunzeln einer Frau, die schon viel erlebt hatte. »Celia Wakefield hat eine außersinnliche Wahrnehmung. Wenn sie einen neuen Typen kennenlernt, fleht er sie nach wenigen Stunden an: ›Schlag mich, verletz mich, lass mich für dich lügen‹.«
»Und das hat sie mit Ihrer Firma auch gemacht?«
»Sie hat den Boss von BabyBrands , Reeve Sonnenfeld, auf der Wintermesse in der Bar des Mansion in Dallas kennengelernt. Dort stellte sie ihre eigene Marke in einem kleinen Showroom vor.«
»Ich glaube, ich weiß schon, wie es weitergeht«, sagte Annajane. »Meinen Chef hat sie nämlich auf genau dieselbe Weise kennengelernt.«
»Ist doch herzig, so ein Mädel, das in Hotelbars auf Jagd geht, oder?«, sagte Katie schmunzelnd. »Sie ist nicht viel besser als eine Hure, diese Celia. Wie dem auch sei, sie begann ein Gespräch mit Reeve, erzählte ihm, sie hätte tolle Kleider im Angebot, beidseitig tragbar, reine Baumwolle – zaubert sogar ein Modell aus der Tasche. Und kippt dann vor Staunen ganz aus den Latschen, als er ihr sagt, dass er quasi BabyBrands ist. Sie trinken noch ein paar Gläschen zusammen, dann gibt Celia ihm ihre Visitenkarte und verschwindet. Und Reeve will nichts anderes mehr, als von ihr beachtet zu werden, wenn Sie wissen, was ich meine. Natürlich treffen sie sich später am Abend wieder, nachdem Reeves Frau Sandee auf ihr Zimmer gegangen ist.«
»Sie machten es im selben Hotel, wo seine Frau schlief?«, fragte Annajane.
»Nein, nein, das Treffen war rein geschäftlich«, sagte Katie. »Jedenfalls am Anfang. Damals kam Reeve aus Dallas zurück und schwärmte nur so von dieser unglaublichen jungen Unternehmerin, deren ›Mentor‹ er sein wolle. Es war abartig. Ich meine, sie ist zwei Jahre jünger als seine Tochter, das muss man sich mal klarmachen. Es dauerte nicht lange, da flog er nach Atlanta und L. A. und traf Celia dort auf Messen, nur sorgte er dann dafür, dass Sandee zu Hause blieb. Jeder in der Firma wusste, was mit den
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