Sommerprickeln
Menschen in dieser Stadt glauben längst, dass wir eine heiße Affäre haben.«
»Ich will nicht, dass über mich geredet wird«, sagte Annajane.
Mason verdrehte die Augen. »Ich auch nicht. Schon gar nicht, wenn ich nicht mal das tun kann, was mir die Leute in die Schuhe schieben.« Er nahm ihre Hand. »Komm doch mit, ja? Wir haben fünf Jahre damit verschwendet, so zu tun, als wäre uns der andere egal. Ich will keine Zeit mehr vergeuden. Du?«
Sie war hin- und hergerissen. Sie wollte mit ihm zusammen sein. Warum war es so schwer, ja zu sagen und sich selbst glücklich zu machen?
»Annajane?«
»Na, gut«, sagte sie schließlich. »Aber ich muss noch ein paar Sachen erledigen. Ich komme nach. Wohin?«
»Es gibt einen neuen Laden in Creekdale, Blueplate heißt der. Wo früher das Emile’s war. Aber es ist doch dumm, mit zwei Autos zu fahren. Ich fahre nach Hause, gucke nach Sophie, dusche und ziehe mich um, dann hole ich dich hier ab – in einer Stunde?«
»Abgemacht«, sagte Annajane. Spontan beugte sie sich vor und küsste Mason auf die Wange.
Überrascht hob er eine Augenbraue. »Jetzt wirst du langsam vernünftig.«
31
Das Blueplate befand sich in einem kleinen, mit Holzschindeln verkleideten Cottage abseits der Straße in Cedar Creek. Annajane hatte dort einmal gegessen, als es noch Emile’s hieß, aber für das pseudofranzösische Essen und die hochnäsigen Kellner nicht viel übriggehabt.
Jetzt war der Laden wie ausgewechselt. Weiß getünchte Wände statt der übertriebenen roten Damasttapeten, und die Einrichtung war eine nette Mischung aus Holztischen und unterschiedlichen Stühlen. Eine kleine Theke nahm fast den gesamten Eingangsbereich ein, dahinter hörte man das Klappern von Tellern und das Summen der Gespräche aus dem Gästeraum.
Die Hausherrin, eine schlanke Brünette mit blassem Teint und Tätowierungen an beiden Handgelenken, stellte sich als Tabitha vor, Ehefrau des Kochs, und brachte ihnen eine Speisekarte und das Besteck.
»Heute ist so ein schöner Abend, ich glaube, wir haben noch einen Tisch draußen auf der Terrasse frei, wenn Sie möchten«, schlug sie vor.
Annajane sah Mason fragend an. »Das wäre toll«, sagte er.
Als sie durch das Lokal geführt wurden, hielt sich Annajane gesenkten Kopfes mehrere Schritte vor Mason. Innerlich schalt sie sich dafür, immer noch befangen und schüchtern zu sein, wenn sie in der Öffentlichkeit mit ihm zusammen gesehen wurde.
Hör auf, dich zu verstecken! Du hast nichts getan. Es ist nur ein Abendessen.
Die Terrasse bestand aus unbehandelten Holzbalken und hatte ein mit funkelnden Lichtern geschmücktes Spitzdach. Trotz ihrer Kritik an sich selbst war Annajane dankbar, als die Inhaberin sie an einen Tisch setzte, der vom Rest der Terrasse durch eine riesige Hortensie getrennt wurde, so dass deren tellergroße blaue Blüten einen wirksamen Sichtschutz bildeten.
Sie bestellten die Getränke. Mason wunderte sich über Annajanes Wahl.
»Seit wann trinkst du Martini?«, fragte er, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und betrachtete sie mit Interesse. »Du hast doch immer gerne diese Mädchensachen getrunken, was war das noch mal, Cosmopolitan?«
»Geschmäcker ändern sich«, sagte sie leichthin. »Menschen ändern sich. Aber ich weiß, dass du noch immer Whiskey trinkst.«
»Ich habe mich in anderer Hinsicht geändert«, gab er zurück. »Bin älter und weiser geworden, hoffe ich. Auf jeden Fall zynischer.«
Eine Kerze in einem flachen Glas in der Mitte des Tisches beleuchtete sein Gesicht. Annajane musterte ihn eingehend. Sein schweres blondes Haar war von grauen Strähnen durchzogen, in den Augenwinkeln hatte er Fältchen, und die Augen selbst wirkten irgendwie dunkler, nicht mehr so hellblau, wie Annajane sie aus ihrer Jugend in Erinnerung hatte. Masons Kiefer war noch immer kantig, und sie stellte überrascht fest, dass er abgenommen zu haben schien. Seine Wangen wirkten eingefallen, das blaue Sakko hing etwas locker an seinen Schultern.
Annajane runzelte die Stirn. »Wie viel hast du abgenommen?«
Er zuckte mit den Achseln. »Das halte ich nicht nach. Vielleicht zehn, zwölf Kilo.«
»Aber du machst doch keine Diät, oder? Du hattest noch nie Probleme mit dem Gewicht.«
Wieder zuckte er mit den Schultern. »Ich mache keine Diät. Bin nur irgendwie abgelenkt von allem, was gerade passiert.«
Annajane lachte. »Das Problem hätte ich auch gerne. Mir fällt kaum was ein, das ich nicht essen will.«
»Hör auf«, sagte er
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