Sommerprickeln
darüber nachzudenken.«
»Dein Vater war ein guter Mann«, sagte Annajane. »Er hat so viel für diese Gemeinde getan, für Passcoe. Er hätte auch einfach nur ein reiches Arschloch sein können, aber das wollte er nicht. Er machte sich etwas aus den Menschen. Und er hat seine Familie wirklich geliebt. Besonders Sallie. Vielleicht ist es so, dass manche Männer gewisse Dinge einfach abspalten. Sie halten Liebe und Sex für zwei unterschiedliche Dinge und finden es in Ordnung, fremdzugehen, solange ihre Frau das nicht erfährt und es niemanden verletzt. Ich kann das nicht richtig erklären, aber ich glaube, so ist das.«
»So bin ich aber nicht«, sagte Mason leise. »Ich bin nicht wie er. Nicht in dieser Hinsicht.«
»Erzähl mir von dem Abend!«, drängte Annajane. »Ich bin jetzt bereit, es mir anzuhören. Ich will verstehen, was damals geschah.«
Mason trank einen Schluck Wein und schloss kurz die Augen in Erinnerung an die zurückliegenden Geschehnisse. »Es wurde langsam spät, deshalb bestellten wir schließlich unser Essen, ohne Dad«, sagte er. »Ich ging davon aus, dass ich mit einem Taxi ins Hotel zurückfahren und dort noch eine Nacht verbringen würde, weil ich keine Ahnung hatte, wo Dad und Eva waren. Doch so gegen zehn Uhr tauchten die beiden plötzlich auf, kamen hereingeschlendert und taten, als sei nichts passiert! Um zehn Uhr! Wir waren die Letzten, die noch im Restaurant saßen. Die Kellner hatten uns schon fast rausgekehrt und polierten bereits die Gläser hinter der Theke.«
»Haben sie irgendwie erklärt, wo sie gewesen waren?«
»Dad kam mit einer lahmen Geschichte, sie wären unterwegs noch was trinken gewesen und hätten einfach die Zeit vergessen«, sagte Mason und verzog angewidert den Mund. »Das war ein Haufen Bockmist. Er stank nach Gin, und Evas Haar sah aus, als sei sie gerade aufgestanden. Sie hatten es in ihrem Hotelzimmer getrieben wie die Karnickel. Um darauf zu kommen, brauchte man kein großartiger Detektiv zu sein. Wir bestellten Kaffee, und gegen elf konnte ich Dad schließlich da rauszerren. Da fing es zu allem Überfluss auch noch an zu schneien. Je weiter nördlich von Atlanta wir kamen, desto glatter wurden die Straßen.«
»Du hättest anrufen sollen«, sagte Annajane. »Damit ich Bescheid wusste.«
»Ja, ich weiß. Jetzt«, sagte er. »Ich war ein egoistischer, selbstsüchtiger Spinner. Ich war so sauer auf meinen Vater, dass ich kein Wort herausbekam. Und er war betrunken. Kaum saß er auf dem Beifahrersitz, schlief er ein. Ich schwöre dir, beim Fahren war ich mehr als einmal kurz davor, ihn einfach zu erwürgen. Für das, was er mir zugemutet hatte. Und was er Mom antat. An dich habe ich dabei nicht gedacht.«
Annajane seufzte. »Warum hast du mir das damals nicht einfach erzählt, als du nach Hause kamst?«
»Weiß ich nicht«, gab er zu. »Ich weiß noch, wie müde ich war, und dann warst du so sauer auf mich, und ich hatte einfach keine Lust auf einen Streit. Am nächsten Tag überlegte ich mir, Dad zur Rede zu stellen. Auf der langen Heimfahrt kam ich zu dem Schluss, dass es vielleicht an der Zeit sei, Quixie zu verlassen. Dieses ganze Familiendrama hinter mir zu lassen und auszuprobieren, ob ich mich auch woanders behaupten könnte. In der Nacht hasste ich ihn aus ganzem Herzen.«
»Wenn ich das nur gewusst hätte«, sagte Annajane.
»Als wir in Cherry Hill ankamen, rüttelte ich ihn wach«, erzählte Mason weiter. »Ich habe nicht mal den Motor abgestellt. Ich sagte nur: ›Wir sind da. Hau ab.‹ Er stieg aus, konnte mir nicht ins Gesicht sehen. Er merkte, wie wütend ich war. Ich glaube, er sagte so was wie: ›Wir sprechen uns morgen‹ und taumelte in Richtung Haustür. Und ich fuhr einfach weg. Als ich ihn das nächste Mal sah, hing sein Leben an einem seidenen Faden. Ich konnte an nichts anderes mehr denken, als an das, was ich als Letztes zu ihm gesagt hatte. ›Hau ab.‹ Das ist das Letzte, was ich zu meinem Vater sagte.«
»Ach, Mason«, seufzte Annajane.
In dem Moment begann sein Handy zu klingeln. Genervt zog er es aus der Tasche und schaute aufs Display.
Als er sah, wer anrief, wurde sein Gesichtsausdruck weicher. »Hey, Sophie-Maus«, sagte er. »Ist alles in Ordnung?«
Er lauschte eine Weile, dann lachte er. »Nein, leider nicht, Möhrchen. Letha ist der Chef, und wenn der Chef sagt, dass du ins Bett musst, dann nimm besser die Beine in die Hand! Ja? Hm? Doch, die ist sogar hier bei mir.«
Er reichte Annajane das Handy. »Sophie
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