Sommerprickeln
nicht zum Takt des Kanons in D-Dur passte. Bang schaute das kleine Mädchen beim Gehen in alle Bänke, hielt nach vertrauten Gesichtern Ausschau. Schließlich entdeckte sie Annajane und ihre Tante Pokey und nickte feierlich. Doch ihre sonst schelmischen grauen Augen hinter den schweren Brillengläsern hatten dunkle Ränder und schwere Lider. Sophies Wangen leuchteten rot im Gegensatz zu ihrer sonst sehr hellen Haut.
Pokey beugte sich in den Gang. »Das machst du super, Süße«, flüsterte sie aufmunternd, und Annajane nickte schweigend zur Bestätigung und blies dem Mädchen einen Kuss zu. Schließlich lächelte Sophie zögerlich und drückte eine Faust voll Rosenblüten in Pokeys ausgestreckte Hand. Annajane fiel auf, dass die Bänder an der langen Satinschärpe schief saßen und nass waren. Wahrscheinlich war der Stoff bei einem Toilettengang vor der Zeremonie irgendwie ins Wasser getaucht.
Warum, fragte sich Annajane, war niemandem die feuchte Schärpe aufgefallen? Zum Beispiel Sophies zukünftiger Stiefmutter? Das Kleid war von Celia selbst entworfen, und was auch immer Pokey oder Annajane persönlich von ihr halten mochten – es war kein Geheimnis, dass Celias erfolgreiches Geschäft für Kinderbekleidung, Gingerpeachy , vor kurzem an eine nationale Firmenkette verkauft worden war, was Celia und ihren Geldgebern angeblich zehn Millionen Dollar eingebracht hatte.
Einige Schritte weiter blieb Sophie plötzlich stehen, zwei Drittel des Wegs zum Altar lagen hinter ihr. Unsicher schaute sie nach rechts und links. Die Musik lief weiter, aber das Mädchen rührte sich nicht. Annajane hielt den Atem an.
Sie blickte hoch zum Altar. Vater Jolly schien nichts zu merken, aber Davis und Pete runzelten die Stirn und tauschten besorgte Bemerkungen aus. Mason hatte ein paar Schritte nach vorn gemacht. Er ging in die Hocke, streckte lächelnd die Arme nach seiner Tochter aus und ermutigte sie, ihren Weg zum Altar zu vollenden.
Annajane konnte es ihm von den Lippen ablesen, selbst aus der Entfernung. »Komm, Mäuschen«, sagte er zu ihr. »Du kannst das.«
Sie konnte das Gesicht des Kindes nicht sehen, nur ein angedeutetes Nicken, dann trippelte Sophie auf Zehenspitzen weiter.
Nur wenige Schritte hinter Sophie folgte eine schlanke Rothaarige in einem kirschroten knöchellangen Organzakleid, so eng geschnitten, dass die Frau gezwungen war, winzig kleine Geisha-Schritte zu machen. Sie war Ende zwanzig und sah aus, als sei sie direkt vom Laufsteg in Paris eingeflogen worden.
»Wer ist das denn?«, fragte Annajane.
Pokey zuckte mit den Schultern. »Noch nie gesehen. Wahrscheinlich eine von Celias tausend besten Freundinnen.«
Sechs weitere Frauen in Seidenkleidern derselben Farbe folgten der Trauzeugin. Annajane kannte die meisten von ihnen, manche nur flüchtig. Aber als sie eine Brünette mit langen Locken und blonden Strähnchen erblickte, spürte sie einen Stich der Eifersucht. McKenna Murphey Kelleher war ihre Freundin. Sie kannten sich seit der Junior Highschool, und Annajane hatte McKenna mit Jimmy Kelleher bekannt gemacht, den sie schließlich geheiratet hatte. Wann war McKenna zu Celia übergelaufen?
Aber jetzt war nicht der Zeitpunkt für Vorwürfe. Die Einzugsmusik verklang, und die schweren Holztüren wurden mit theatralischen Gesten geöffnet. Die Gemeinde erhob sich von den Plätzen, in der kurzen Stille hörte man lediglich das Rascheln von Satin und Seide.
Annajane erblickte die Braut und konnte die Augen nicht von ihr abwenden, der zukünftigen Mrs Mason Bayless.
Celia Wakefield war unglaublich zierlich, hatte kurzes silberblondes Haar und riesengroße dunkle Rehaugen, die von den extravagantesten falschen Wimpern betont wurden, die Annajane je gesehen hatte. Celia wirkte noch kleiner als sonst, wie sie dort hinten selbstsicher und allein stand, eingerahmt von der hohen Eichentür.
Mason war mindestens vierzig Zentimeter größer als seine neue Braut. Er war kräftig gebaut, nicht dick, aber Annajane schätzte, dass er gute fünfzig Kilo mehr wog als Celia.
Wie sah wohl , fragte sich Annajane müßig, der Sex zwischen den beiden aus? Sie kniff die Augen zu, versuchte das Bild des nackten Paars aus ihrem Kopf zu vertreiben. Schließlich war sie in der Kirche, zwar nicht in derselben, in der Mason und sie getraut worden waren, aber es war und blieb ein Gotteshaus, und die Augen Gottes und aller Einwohner Passcoes schauten zu. Nicht in der Kirche an Sex denken , schalt sich Annajane.
Die Instrumente
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