Sommerprickeln
einverstanden?«
»Er lachte mich quasi aus und sagte, ich würde übertreiben. Sallie wäre ja bei ihm und würde auf ihn aufpassen.«
»Um wie viel Uhr war das?«, fragte Annajane.
»Hm.« Voncile knetete ihre Papiertüte und versuchte sich zu erinnern. »Das muss gegen zehn Uhr gewesen sein, weil ich noch los wollte, um die letzten Sachen für Weihnachten zu besorgen.«
Annajane lief ein Schauer über den Rücken. »Hast du später noch mal nachgehört, wie es ihm ging?«
»Hab ich versucht«, sagte Voncile. »Noch vor Mittag habe ich ihn auf dem Handy angerufen, als ich vom Einkaufen zurückkam, aber ich wurde direkt auf die Mailbox umgeleitet, deshalb rief ich im Haus an. Sallie meldete sich sofort, und ich fragte sie, wie es Mr Glenn ginge. Sie sagte, es ginge ihm gut, was mich ein bisschen wunderte.«
»Hast du ihr gesagt, dass er am Morgen Schmerzen in der Brust gehabt hatte?«
Voncile verzog das Gesicht vor Anstrengung. »Das ist schwer zu sagen, ist so lange her. Ich glaube, ich bat sie, mit ihm sprechen zu dürfen, aber sie meinte, er würde schlafen, oder so ähnlich.«
»Dann hast du also nie wieder mit Glenn gesprochen?«
»Nein«, sagte Voncile mit gerunzelter Stirn. »Ich habe es später noch mal versucht, so gegen drei, aber da war dann besetzt. Eine halbe Stunde lang hab ich es ständig klingeln lassen, aber dann hab ich aufgegeben, weil wir für meine Enkeltochter das Engelskostüm für das Krippenspiel in der Sonntagsschule fertig machen mussten. Anschließend fuhren wir nach Garner, wo ich bei meiner Tochter übernachtete.«
Jetzt versuchte sich Annajane jenen Samstag mit all seinen schmerzhaften Geschehnissen in Erinnerung zu rufen. Mittags hatte sie zufällig ihre Schwiegermutter im Country Club getroffen, und Sallie hatte seltsamerweise darauf bestanden, dass Annajane mit ihr und ihren Freundinnen essen ging.
Ob Sallie wohl klar gewesen war, dass ihr Mann am Vormittag Probleme mit dem Atmen und Schmerzen in der Brust gehabt hatte?
Voncile war bestürzt. »O Gott! Er muss den Herzinfarkt kurz nach dem Gespräch mit mir bekommen haben.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Annajane langsam. »Sallie sagte, sie hätte Glenn gegen sechs Uhr abends ohnmächtig vorgefunden und den Krankenwagen gerufen. Man versuchte ihn im Krankenhaus wiederzubeleben, aber die Ärzte meinten, es war zu spät.«
»Aber das war viele Stunden, nachdem ich mit ihm gesprochen hatte«, sagte Voncile. »Ich dachte … ich meine, ich bin immer davon ausgegangen, dass er schon am Vormittag ins Krankenhaus gebracht wurde, direkt nach unserem Telefonat. Bist du dir wirklich sicher, Annajane?«
»Sehr sicher«, erwiderte sie trocken.
Voncile zerknüllte die Papiertüte zu einer Kugel. »Das verstehe ich nicht. Warum hat Sallie denn nicht den Arzt gerufen? Oder ihren Mann direkt ins Krankenhaus gebracht?«
»Das würde ich auch gerne wissen«, erwiderte Annajane.
51
Pokey Bayless Riggs stand vor der Junggesellenunterkunft ihres Bruders Davis, einem modernen zweigeschossigen Holzhaus mit hohen Decken und schiefen Wänden auf dem Grundstück von Cherry Hill, außerhalb des Blickfelds der Eltern. Sie hatte vorher angerufen und ihm mehrmals auf die Mailbox gesprochen, aber keine Antwort erhalten. Sie war fest entschlossen, es mit ihm auszufechten, von Angesicht zu Angesicht.
Erfolglos hatte sie geklingelt und gegen die Tür geklopft. Schließlich machte sie einen Schritt zurück und wölbte die Hände um den Mund zu einer Art Lautsprecher. »Davis Bayless!«, rief sie. »Ich weiß, dass du zu Hause bist, du alter Fuchs, du kannst mich genauso gut reinlassen.«
Sie wartete. »Davis! Ich gehe nicht von selbst! Wenn es sein muss, bleibe ich die ganze Nacht hier stehen!«
Schließlich ging sie um das Haus herum nach hinten, probierte die Küchentür aus und stellte fest, dass sie offen war. Pokey trat ein und entdeckte Davis am Küchentisch aus Rauchglas, wo er eine Hühnerpastete aus der Mikrowelle aß und das Gericht mit einem großen Glas herunterspülte, in dem offenbar Whiskey war.
Seine Anzugjacke hing über der Rückenlehne des Stuhls, er hatte seine Krawatte gelockert und die Hemdsärmel aufgekrempelt.
»Hau ab!«, knurrte er.
»Nix da«, sagte Pokey und setzte sich ihm gegenüber an den Tisch.
»Ich hab dir nichts zu sagen«, fuhr er sie an und fischte eine grüne Erbse aus dem Essen, die er in einer Reihe mit weiteren aussortierten Erbsen auf dem Tellerrand anordnete.
»Dann halt eben den Mund«, gab
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