Sommerprickeln
nichts erledigt. Ich brauche ein paar Stunden Ruhe und Frieden.«
»Na, darauf kannst du Gift nehmen, dass du Davis Bayless hier an einem Sonntagmorgen nicht antreffen wirst«, stimmte Troy ihr zu. »Schon gar nicht am Tag nach der Hochzeit seines Bruders.« Er blinzelte ihr wissend zu. »War bestimmt ’ne tolle Feier.«
»Tja, das ist eine lustige Geschichte. Die Hochzeit verlief nicht ganz so wie geplant.«
Troy sah sie fragend an. »Was soll das heißen? Willst du mich veräppeln? Hast du der Braut ein Bein gestellt, als sie zum Altar ging?«
Annajane drohte ihm spielerisch mit dem Finger. »Sei vorsichtig! Celia gehört jetzt zum Management, ja?«
Troy grinste. »Im Ernst? Kam etwas dazwischen?«
»Ja«, bestätigte sie. »Sophie wurde schlecht – genau in dem Moment, als Celia zum Altar ging. Die Trauung wurde abgesagt, die Kleine ins Krankenhaus gebracht. Ihr wurde der Blinddarm entfernt.«
Troy schüttelte den Kopf. »Blinddarmentzündung! Das arme Mäuschen. Mason war bestimmt ganz schön fertig.«
»Allerdings. Wir haben uns alle ziemlich große Sorgen um Sophie gemacht. Aber Dr. Kaufman sagt, sie kommt schnell wieder auf die Beine. Ich habe heute Morgen mit der Schwester im Krankenhaus gesprochen, Sophie ist wach und will Eis essen, das ist doch ein gutes Zeichen.«
»Die Hochzeit abgesagt«, wiederholte Troy leise. »Das ist ja ein Ding!« Er grinste Annajane schief an. »Vielleicht kannst du dir den Chef ja doch noch angeln. Zum zweiten Mal.«
Sie lief rot an. »Tut mir leid, Troy. Der Zug ist abgefahren.« Sie hielt ihm die linke Hand hin, damit er ihren Ring sah. »Ich bin doch schon verlobt.«
»Eine Schande«, brummte er vor sich hin.
Der süße schwere Geruch von Kirschsirup hing über dem stillen Firmengelände. Annajane ging nur an zwei weiteren Mitarbeitern vorbei. Das war besorgniserregend. Noch vor gar nicht langer Zeit hatte das Werk selbst an einem frühlingshaften Sonntagmorgen vor Geschäftigkeit gebrummt.
Doch die Zeiten hatten sich geändert. Die Wirtschaft verlor an Schwung. Die Menschen waren unsicher. Ihre Vorlieben in Bezug auf den Geschmack von Softdrinks hatten sich geändert. Quixie hatte Marktanteile an Energy Drinks verloren, die gerade den Markt überschwemmten. Selbst die demographische Entwicklung hatte sich verschoben, die Käufer von Quixie waren nicht mehr jung und hip, sondern … anders.
Als Annajane zum College ging, galt Quixie als DAS Mixgetränk auf Partys. Mit ihren Freunden trank sie Quixie mit Rum, Quixie mit Wodka, Quixie mit Whiskey, ja sogar – bei der Erinnerung musste sie sich schütteln – Quixie mit Light-Bier.
Doch irgendwie war die Marke Quixie schwerfällig geworden. Davis hatte Marktstudien in Auftrag gegeben und viele Gespräche geführt, um dem Problem auf den Grund zu gehen, doch die Antworten waren nicht ermutigend gewesen. Quixie war einfach nicht mehr cool.
Nicht dass sie es nicht versucht hätten. Die Firma hatte Millionen für Umfragen, Beratungen und Werbekampagnen ausgegeben. Sie hatten jeden Aspekt überarbeitet, vom ursprünglichen Geschmack bis zu Größe, Form und Farbe der Flasche, der Dose und der Verpackung, ja sogar das Logo selbst. Doch nichts zog.
Annjane schob die schweren Metalltüren auf, die von der Fabrik ins Bürogebäude führten. Sie ging durch einen schmalen Gang vorbei an geschlossenen Bürotüren, bevor sie vor ihrer eigenen stehen blieb. Annajane Hudgens, stellvertretende Marketingleitung, stand auf dem Schild an ihrer Tür. Sie schob es aus der Halterung und steckte es in die Tasche. Am Ende der Woche wäre es Traceys Büro, nicht mehr ihres.
Sie holte einen zweiten Schlüssel aus der Tasche und schloss auf. Im Raum knipste sie das Licht an und seufzte, als sie das Durcheinander vor sich sah.
Pappkartons standen herum. Auf ihrem Schreibtisch türmten sich Bücher, überall stapelten sich weitere Berge – Kartons, Akten, Unterlagen. In der Ecke stand eine Garderobe, an der zwei ihrer alten Sweatshirts hingen, daneben das rot-grün gestreifte Fahrerhemd von Quixie mit ihrem Namen auf der Brusttasche und ja, auch das gefürchtete Koboldkostüm in einer Plastikhülle von der Reinigung.
Annajane hob eine Ecke des Plastiks an und musterte das grüne Filzkostüm und die roten Strümpfe. Irgendjemand – vielleicht ihre Mutter? – hatte die Risse von ihrem Sturz am Unabhängigkeitstag vor vielen Jahren ordentlich gestopft. Die entsprechende Narbe dazu hatte Annajane am Knie. Man sah sie aber kaum
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