Sommerprickeln
sinken.
Sie grub ihn aus der Tasche, legte ihn in Shanes Hand und schloss sanft seine Finger darum. »Ich habe meine erste Ehe vermasselt. Habe aufgegeben und bin abgehauen, als es schwierig wurde. Es war leichter, ihm, seiner Mutter und meiner Mutter die Schuld zu geben, allen außer mir. Aber jetzt muss ich aufhören, wegzulaufen. Ich muss herausfinden, was ich vom Leben will.«
»Mason?« Shane verzog das Gesicht.
»Ich weiß es ehrlich nicht«, sagte Annajane. »Er muss selbst eine Menge für sich klären. Im Moment, denke ich, muss ich mich erst mal darauf konzentrieren, dass ich in die Reihe komme.«
»Du bist gut so, wie du bist«, sagte Shane.
»Nein, bin ich nicht«, gab Annajane zurück. Sie nahm ihre Reisetasche, warf sie sich über die Schulter und kraulte zum letzten Mal Wyleys Kopf. »Aber das bekomme ich schon hin.«
24
Die Geschäftsräume von Farnham-Capheart lagen im siebten Stock eines mittelgroßen Büroturms im Zentrum von Atlanta. Annajane parkte in der Tiefgarage und fuhr mit dem Aufzug in die in Marmor gehaltene Lobby. Als sie an einem kleinen Sandwich-Laden vorbeikam, erinnerte ihr knurrender Magen sie daran, dass sie Frühstück und Mittagessen ausgelassen hatte.
Drei Frauen in schicken dunklen Kostümen und hohen Absätzen kamen aus dem Fahrstuhl, als Annajane eintrat. Verzagt schaute sie an sich hinab: schwarze Hose, eine blassrosa Baumwollbluse mit Rüschen und schwarze Ballerinas. Als sie noch vor Sonnenaufgang in Passcoe aufgebrochen war, hatte sie sich keine Mühe gemacht zu überlegen, welche Kleidung sie brauchen würde. Sie wischte ein Hundehaar von ihrer Hose, griff in ihre Tasche, holte ein schlichtes Paar Perlenohrringe heraus und befestigte sie an ihren Ohren.
Das würde erst mal reichen müssen, aber wenn sie ihre Stelle in der Werbeagentur antrat, würde sie auf jeden Fall modemäßig aufrüsten müssen. Zu Hause in Passcoe hatte sie sich deutlich lässiger angezogen, im Sommer freitags sogar Jeans zur Arbeit getragen. Das würde in Atlanta ganz bestimmt nicht gehen. Jetzt spielte Annajane in einer anderen Liga. Und sie war wieder solo, wie sie sich kleinmütig vor Augen führte. Wahrscheinlich dazu verdammt, es ihr Leben lang zu bleiben.
Als sie die Büroräume der Agentur erreichte, musste sie einen Augenblick warten, bis ihr neuer Chef, Joe Capheart, sie im Eingangsbereich abholte.
»Annajane?«, fragte er, wirkte ein wenig durcheinander. »Arbeitest du nicht noch in Passcoe?«
»Ich bin heute Morgen spontan hier runtergefahren«, sagte sie. »Dachte, ich schaue mal kurz vorbei und kläre ein paar Sachen, bevor ich mich wieder auf den Heimweg mache und zu Ende packe.«
»Komm doch bitte mit in mein Büro«, sagte Joe und führte sie am Ellenbogen. »Ist wahrscheinlich sogar gut, dass du jetzt hier bist.«
Als die Bürotür geschlossen war, er hinter seinem Schreibtisch saß und Annajane ihm gegenüber, holte Joe Capheart eine Rolle Magentabletten aus der Schublade. Er warf sich eine in den Mund und reichte Annajane schweigend den Rest der Rolle.
Ihr Magen begann zu flattern. Es gab Neuigkeiten, und zwar keine guten.
»Ich nehme an, du hast heute noch nicht mit Davis gesprochen?«, fragte Joe stirnrunzelnd.
»Ähm, nein … Das Wochenende zu Hause war ziemlich verrückt. Ich bin heute Morgen ganz, ganz früh losgefahren und hatte noch keine Möglichkeit, mit Davis zu sprechen.«
»Wirst du noch wollen«, sagte Joe. Schweigsam kaute er die Magentablette und starrte aus dem Fenster. »Die haben mich in eine verdammt unangenehme Lage gebracht. Von den ganzen Auswirkungen ganz zu schweigen.«
»Was ist denn los?«, fragte Annajane und versuchte, nicht zu alarmiert zu klingen.
»Langer Rede kurzer Sinn: Quixie hat uns rausgeworfen.«
Annajane kaute eine Weile auf ihrer Tablette herum und versuchte, die Nachricht zu verdauen. »Wann?«, fragte sie, als sie wieder sprechen konnte. »Das ist ja Wahnsinn. Ich habe gestern noch mit Mason gesprochen, und er hat nichts davon gesagt.«
»Davis hat mir vor gut einer Viertelstunde eine E-Mail geschickt«, erklärte Joe düster. »Den anderen Teilhabern habe ich es noch nicht mal erzählt. Eine E-Mail – ist das zu fassen? Nach all den Jahren, die unsere Agentur mit Quixie zusammenarbeitet?«
»Hat er einen Grund angegeben?«, fragte Annajane, immer noch perplex. »Ich meine, Joe, ich war gestern noch im Büro und habe mir die Pläne für die Sommeraktion angesehen. Davis hatte sie alle abgezeichnet.«
»Das kam aus
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