Sommerprickeln
saubergemacht worden, seit Annajane vor einem Monat hier gewesen war.
Auf dem Boden und den Tischen lagen Zeitungen und Bücher. Eine Gitarre und eine Dobro lehnten an dem rußgeschwärzten Backsteinkamin, Ledersofa und Sessel waren von einer Schicht beiger Hundehaare bedeckt. Auf dem Couchtisch vor dem Sofa standen ein aufgeklappter Laptop, eine Cornflakes-Schale und eine leere Plastikmilchflasche. Aus zwei riesigen alten Stereolautsprechern, die Shane auch als Beistelltische benutzte, klang Musik.
In der kleinen Küchenzeile stapelte sich schmutziges Geschirr, aus dem Mülleimer quollen Bierflaschen und Pizzakartons.
Annajane rümpfte die Nase. »Hier muss wirklich mal eine Frau rein.«
»Das sage ich dir doch die ganze Zeit«, gab Shane zurück. »Tut mir leid, dass du das Haus so sehen musst, aber die Jungs und ich haben die ganze Zeit an neuen Songs gearbeitet«, sagte Shane. »Wart’s ab, bis du sie hörst.«
Er fegte die Zeitungen vom Sofa, setzte sich und zog Annajane zu sich herunter. »Wir haben fast schon genug Material für ein neues Album zusammen.« Er drückte auf ein paar Tasten seines Laptops.
Banjos und Geigenmusik, dazu eine Mundharmonika und drei Stimmen, die sich zu einer Harmonie verbanden, begleitet von einem Text über Herz und Terz, Sonne und Tonne.
»Schön«, sagte Annajane und nickte im Takt. »Wie heißt das Stück?«
Shane strahlte. » Ragweed Rag . Ich meine, das ist erst mal ein Versuch. Corey meint, ich soll den Text noch ein bisschen verfeinern. Die Bassline gefällt mir irgendwie nicht so richtig. Was meinst du? Zu träge?«
Ohne auf eine Antwort zu warten, ließ er das Lied noch einmal von vorn abspielen.
»Das hört sich doch gut an«, sagte Annajane. »Aber ich kenne mich ja gar nicht groß mit Bluegrass aus …«
»Das lernst du noch«, sagte Shane und drückte ihr Knie. »Ich zeig dir mal das Stück, an dem wir gestern Nacht gearbeitet haben, ja?«
»Eigentlich«, begann Annajane und griff nach seiner Hand, »gibt es etwas Wichtiges, worüber ich mir dir reden muss. Deshalb bin ich heute hergekommen.«
»Klar«, sagte Shane und tippte auf die Tastatur des Laptops. »Warte nur mal kurz, ja? Corey hat mir gerade eine IM geschickt. Er hat eine Idee für den Übergang in einem der neuen Lieder.« Er nahm seine Dobro und begann zu spielen.
Annajane stand auf, ging in die Küche und machte sich automatisch daran aufzuräumen. Shane hatte keinen Platz für eine Spülmaschine, deshalb musste man mit der Hand abwaschen. Sie ließ das Becken mit heißem Wasser volllaufen und schrubbte jeden Teller, jeden Löffel und jede Gabel aus Shanes Besitz, spülte sie klar und trocknete sie ab. Als alles in dem winzigen Schrank verstaut war, nahm sie die Mülltüte aus dem Eimer und brachte sie nach draußen zur Mülltonne, die mit Unrat von einem ganzen Monat gefüllt zu sein schien.
Das Schlafzimmer war eine Katastrophe. Schmutzige Klamotten quollen aus einem Plastikwäschekorb. Das Bettzeug war ein verknotetes Gebilde aus verschossenen Decken, quer darüber lag ein alter grüner Schlafsack. Ehrlich gesagt, roch es wie im Sumpf.
»Bah!« Annajane zog am Fenster, bis sie es nach oben schieben konnte. Davor war jedoch kein Fliegengitter, so dass ein feiner Film gelben Blütenstaubs hereingeweht wurde. Annajane nieste, aber ließ das Fenster offen. Mit einer fließenden Bewegung fegte sie sämtliche Bettwäsche in den Wäschekorb, trug ihn nach draußen auf die kleine rückwärtige Veranda und stopfte alles in die Waschmaschine.
Sie kam zu dem Schluss, dass sie diese Nacht nicht im Haus verbringen würde. Sie würde Shane vorschlagen, ein Zimmer in einem netten Motel sei genau das Richtige, um die Leidenschaft neu zu entfachen.
Als Annajane die gesamte Hausarbeit erledigt hatte, kehrte sie zu Shane zurück.
Er improvisierte immer noch auf seiner Dobro, sprach aber gleichzeitig auf dem Handy mit einem seiner Bandkollegen. Annajane merkte, dass er in dem Zustand war, den er immer »Groove« nannte. Sie fand einen verwitterten Besen und machte sich achselzuckend daran, das ganze Haus gründlich auszufegen.
»Das musst du doch nicht machen, Süße«, sagte Shane, als er von seinem Instrument aufsah. Er klopfte auf das Sofakissen neben sich. »Setz dich her. Das erledige ich später. Hast du nicht gesagt, du müsstest mit mir über irgendwas sprechen?«
»Ja.« Annajane bekam ein flaues Gefühl im Magen. Sag’s ihm einfach , dachte sie. Sei kein Angsthase. Bring die Wahrheit auf
Weitere Kostenlose Bücher