Sommerprickeln
den Tisch, dann kommt schon alles ins Reine.
Sie ließ sich auf das Sofa sinken und sah ihn an. »Zuerst mal«, sagte sie nervös, »möchte ich nicht, dass wir uns gegenseitig anlügen. Weißt du noch, was wir uns versprochen haben, als wir zusammenkamen?«
»Ja«, sagte er. »Keine Lügen. Das ist die Grundlage unserer Beziehung.«
»Gut. Also, es geht darum, dass etwas mit Mason gewesen ist.«
»Mit deinem Ex? Hat der nicht gerade erst wieder geheiratet, sogar gestern?«
Annajane holte tief Luft. »Er wollte am Samstag heiraten, aber seine kleine Tochter wurde mittendrin krank, so dass sie das Ganze verschieben mussten.«
»Das tut mir leid«, sagte Shane. »Geht’s dem Kind wieder besser?«
»Ihr wurde der Blinddarm entfernt«, erklärte Annajane. »Aber ihr geht’s schon wieder gut. Mason wird allerdings wohl doch nicht heiraten.«
Shane runzelte die Stirn. »Wieso nicht?«
»Das ist eine lange Geschichte«, sagte Annajane. »Celia ist doch nicht die Richtige für ihn, das merkt er gerade. Besser jetzt als später, oder?«
»Besser jetzt als später«, wiederholte Shane und nickte feierlich.
»Hm, tja, gestern Abend haben wir eine Spritztour gemacht«, fuhr sie fort. »Wir haben Whiskey getrunken, und ich habe eine alte Kassette gefunden, die ich ihm mal aufgenommen hatte, vor Jahren, und, keine Ahnung, vielleicht war es eine Kombination von dem Whiskey und der Musik, aber ich …«
»Moment!«, unterbrach Shane sie. Seine Augen glühten. Er griff zu einem Laptop und fing an, wie ein Verrückter zu tippen.
»Besser spät als nie«, sagte er summend. »Das ist genial! Das ist der Text für die Überleitung, an der wir jetzt seit einer Woche rumprobieren.«
Er nahm wieder seine Dobro in die Hand und begann zu spielen. »Besser spät als nie«, sang er. »Solange sie mir das verzieh …«
Er beugte sich vor und küsste Annajane auf die Nase. »Red weiter, Schatz. Das ist allererste Sahne. Du bist meine Muse. Erzähl einfach, was dir durch den Kopf geht, ich hab das Gefühl, als würdest du meine kreativen Schleusentore öffnen.«
Annajane begann von vorn. »Wir saßen da und hörten uns die Kassette an, es lief Journey, und plötzlich küsste mich Mason, und ich erwiderte seinen Kuss …«
»Journey? Im Ernst?« Shane nahm die Dobro herunter und runzelte die Stirn. »Langsam fange ich an, an deinem Musikgeschmack zu zweifeln.«
»Ich mag Journey gerne«, sagte Annajane. »Zumindest früher. Aber darum geht es ja gar nicht. Es geht darum, dass mein Ex mich geküsst hat und ich mich nicht gewehrt habe.« Sie lehnte sich zurück und wartete, dass Shane verstand, was sie gesagt hatte.
»Aha«, sagte er. Sein Gesichtsausdruck war feierlich. »Hast du eben gesagt, du hättest was getrunken?«
»Whiskey«, bestätigte Annajane.
»Alkohol kann die Wahrnehmung ganz schön verzerren«, sagte er. »Manchmal trinke ich ein paar Bier mit den Jungs, und ehe ich mich versehe, gucke ich mir alte Videos von Guns ’n’ Roses auf YouTube an und schieße mit einer Luftpistole auf Eichhörnchen.«
Annajane nahm ihrem Verlobten vorsichtig die Dobro aus den Händen.
»Ich glaube, du verstehst nicht, was ich dir hier gerade sage, Shane«, sagte sie. »Ich war mit Mason allein unterwegs. Ich habe ihn bereitwillig begleitet. Ja, ich habe zwar ein bisschen was getrunken, aber um ganz ehrlich zu sein – und ich will ehrlich zu dir sein –, ich wusste irgendwie vorher, dass er mich küssen würde. Und ich habe mich nicht gewehrt. Ganz im Gegenteil: Es hat mir gefallen.«
»Gott, Annajane.« Shane fiel die Kinnlade herunter, und sie hatte das Gefühl, ihn geohrfeigt zu haben.
»Ich weiß. Ich fühle mich furchtbar«, sagte sie.
Der Labrador schaute von Shane zu Annajane. Winselnd leckte er an Shanes Hand, der ihm geistesabwesend hinterm Ohr kraulte.
Shane blickte zu Boden und sah dann Annajane hoffnungsvoll an. »Also, dann war es so eine spontane Sache, die sich einfach ergeben hat, oder? Nichts, was du noch mal tun würdest, oder?«
»Nicht, wenn ich rational denke«, erwiderte sie.
»Und wenn du nicht rational denkst?«, fragte Shane und nahm ihre Hände in seine.
»Ich weiß, dass es niemals funktionieren würde mit Mason und mir. Es gab zu viele Streitpunkte, als wir verheiratet waren, wir kamen einfach nicht weiter. Ich bin damit durch.«
»Wirklich? Bist du dir sicher?«
Annajane holte tief Luft und stieß sie langsam wieder aus. Ihr Puls raste, sie spürte ihr Herz in der Brust klopfen. Schließlich
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