Sommerprickeln
schmiedeeisernen Tore von Cherry Hill passiert hatte. Der Geruch frisch gemähten Grases zog durch die heruntergelassene Scheibe seines Wagens herein, kleine Vögel und große gelbe Schmetterlinge schwebten über den bunten Büschen aus rosa, weißen und violetten Azaleen, die die lange Auffahrt säumten. Doch Mason war zu zerstreut, um die Schönheiten des herrlichen Frühlingstags zu genießen.
Sallie hatte eine kurze, prägnante Nachricht auf seinem Handy hinterlassen: »Du musst noch heute Vormittag kommen. Ich bin bis mittags zu Hause.«
Mit den Fingerspitzen massierte er sich die Schläfen. Auf der Tagesordnung seiner Mutter konnten mehrere unangenehme Themen stehen.
Er parkte den Wagen und schlenderte langsam zur Eingangstreppe des Hauses. Die weiße Außenmauer leuchtete im Sonnenschein. Vor der Haustür blieb er stehen. Normalerweise ging er einfach hinein, schließlich war es sein Elternhaus. Er hatte hier bis kurz vor der Hochzeit mit Annajane gelebt und war nach der Trennung vorübergehend wieder eingezogen. Aber irgendwie fühlte es sich an diesem Tag anders an. Er wollte gerade auf die Klingel drücken, als sich die Tür öffnete und seine Mutter ihn mit auffällig kühler Stimme begrüßte.
»Seit wann klingelst du?«, wollte sie wissen und hielt ihm die Wange hin, damit er sie begrüßte.
Er hauchte einen leichten Kuss darauf und atmete ihren vertrauten Geruch ein, eine Mischung aus Haarspray, Chanel Nr. 5 und Zigaretten, dazu ein Hauch von Kaugummi mit Zimtgeschmack. Solange er sich erinnern konnte, hatte seine Mutter heimlich geraucht. Es konnte passieren, dass man ein Zimmer im Haus betrat, und sie stand da und fächerte schuldbewusst den Qualm aus dem offenen Fenster oder sprühte Raumerfrischer durch die Gegend.
Er folgte ihr in den hohen Eingangsbereich, ihre Absätze klapperten über den schwarzweißen Marmorboden. »Du siehst gut aus«, sagte er, um die Anspannung zu lockern. Sie hatte ihr Haar gemacht und trug einen gelben Blazer, dazu eine glitzernde Goldkette und passende Ohrringe.
»Ich hatte heute Morgen Altardienst«, sagte sie und führte ihn ins Arbeitszimmer. Sie setzte sich hinter den zierlichen Walnuss-schreibtisch aus der Provence, der den massiven Eichenschreibtisch seines Vaters ersetzt hatte. »Und ich kann dir versichern, dass es keine besonders angenehme Erfahrung war, in einen Raum voll tuschelnder Frauen zu treten, die plötzlich alle verstummen, weil ich hereinkomme. Was glaubst du, worüber sie gesprochen haben?«
Mason blieb stehen. »Hast du mich deshalb hergebeten? Wegen einem Haufen alter Tratschtanten?« Er machte kehrt und steuerte auf die Tür zu. »Du musst mich entschuldigen, Mama. Ich habe Wichtigeres zu tun.«
»Ich möchte, dass du bleibst«, sagte Sallie. Ihre Stimme war ruhig. Sie erhob sie nur selten, weil es selten nötig war. In ihrem ganzen Leben war Sallie Bayless eine Macht gewesen, mit der man rechnen musste.
Mason fläzte sich in den blassblauen Damastsessel vor dem Schreibtisch und fühlte sich wie ein kleiner Schuljunge, der ins Zimmer der Rektorin gerufen worden war.
Seine Mutter spielte mit einem Stift herum, rollte ihn mit den Fingerspitzen vor und zurück.
»Stimmt es denn?«, fragte sie schließlich. »Das mit dir … und Annajane? Wirklich, Mason, ich weiß nicht, was du dir dabei gedacht hast. Oder was du getan hast. Draußen auf der Farm?«
»Ich weiß nicht, was du gehört hast«, entgegnete Mason. »Aber ich bezweifle, dass es zutrifft. Außerdem habe ich nicht vor, mit dir über mein Privatleben zu sprechen. Auch nicht mit dem Rest von Passcoe.«
»Dein Privatleben und wie du es führst haben Einfluss auf unsere gesamte Familie. Und auf Quixie«, erinnerte Sallie ihn. »Wenn du mit deiner Exfrau in aller Öffentlichkeit herummachst, ist doch klar, dass darüber geredet wird.« Sie schüttelte den Kopf.
»Wenn Celia dich überhaupt noch zurücknimmt, wäre das ein Wunder. Sie sollte heilig gesprochen werden.«
Der Muskel in Masons Kiefer begann zu zucken.
»Und ja, ich weiß Bescheid über das Baby«, fügte seine Mutter hinzu.
Er sprang auf. »Jetzt reicht es! Ich bin neununddreißig Jahre alt. Ein bisschen zu alt, um mir von meiner Mutter einen Klaps auf die Finger geben zu lassen.«
»Wie schade«, sagte sie. »Ich hätte dir öfter einen Klaps auf die Finger – und auf den Hintern – geben sollen, als du noch klein warst. Vielleicht würden wir dann nicht hier stehen und uns über so was unterhalten
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