Sommerrot
Tod seines Vaters nicht zurecht kommt. Nur Angelus Senior, der Finanzchef Dr. Pflegert und ich kennen die wichtigen Passw örter und da sich Dr. Pfelgert derzeit im Urlaub im Himalaya befindet, kommt Tino nicht ins System. Außerdem habe ich immer alle wichtigen Fäden zusammengeführt und Termine koordiniert. Kein Wunder, dass nun das Chaos in der Firma ausbricht, wo Tino so viel Ahnung von dem Geschäft seines Vaters hat wie eine Spinne vom Honigsammeln. Aber dann steigt doch Mitleid in mir auf. Es muss schlimm sein, gleich beide Eltern am selben Tag bei einem Autounfall zu verlieren und sich gleichzeitig in der Verantwortung für eine 80-Mann-Firma wiederzufinden, von der man zuvor gerade mal die Innenräume gesehen hat. Und außerdem, was können die anderen Mitarbeiter für ihren neuen Chef. Sie leiden nun mindestens genauso unter der chaotischen Situation. Das aufkeimende Mitgefühl wird durch die nächste Erinnerung wieder fortgeblasen.
Nach dem Tag, als wir uns im Aufzug begegneten, sah ich Tino nicht mehr wieder bis zu dem Tag der Beerdigung seiner Eltern. Ich nahm an, es hat ihm nichts bedeutet und er ist einer von denen, die so viele Frauen haben, dass sie nicht einmal mehr in ihre Strichliste passen. Bei seinem Aussehen w ürde ihm das auch nicht schwerfallen. Für mich dagegen war das Zusammentreffen mit diesem Mann das absolut erotischste Erlebnis meines Lebens gewesen und ich konnte und wollte ihn auch nicht vergessen. Aber da er sich nicht mehr bei mir meldete, wollte ich ihm auch nicht hinterherlaufen, schließlich wusste er ganz genau, wo ich zu e erfinden war und wenn ich ihm wirklich etwas bedeutet hätte, dann hätte er sich mit Sicherheit wieder bei mir gemeldet.
Wir erfuhren vom Tod der Eheleute über eine Email von ihrem Sohn Tino Angelus an alle Mitarbeiter.
«Liebe Mitarbeiter der Firma Terratec,
leider muss ich Ihnen mitteilen, dass meine Eltern Gina Angelus und Titus Angelus gestern bei einem tragischen Autounfall ums Leben kamen. In drei Tagen wird im Ulmer Münster um 16 Uhr die Trauerfeier stattfinden, zu der ich Sie alle recht herzlich einlade. Bis dahin möchte ich Sie bitten, Ihre Arbeit so verantwortungsbewusst wie bisher fortzuführen.
Mit herzlichen Grüßen
Tino Angelus»
Die ganze Firma verfiel in Bestürzung bei der Neuigkeit über den Tod der Eheleute und nach drei Tagen Chaos in der Firma, in denen ich zu retten versuchte, was immer ich konnte, fand die Beerdigung statt. In dem Gewühl an über zweihundert Menschen konnte ich Tino in der Kirche beim Trauergottesdienst nicht entdecken. Die Trauernden versammelten sich danach am Grab auf dem Friedhof. Dicke Wolken zogen über den Himmel, aber es regnete nicht. Die gesamte Firma, unzählige Verwandte und Geschäftsfreunde bildeten eine riesige schwarz gekleidete Menschentraube um das Grab herum. Plötzlich sah ich sein Gesicht zwischen den Menschen. Ich näherte mich vorsichtig, doch in dem Augenblick, als er mich erkannte, zuckten wütende Blitze aus seinen Augen und trafen mich vollkommen unvorbereitet mitten ins Herz. Er trat auf mich zu.
« Dass sie sich überhaupt noch hertrauen!», zischte er mich an. «Verschwinden sie sofort!» Ich blieb wie versteinert stehen und wusste überhaupt nicht, wie mir geschah. Als ich mich nicht rührte, packte er mich grob am Arm und zog mich hinter sich her durch die Menge, die uns verwundert anstarrte.
« Warum sind sie so wütend auf mich?», brachte ich heisern hervor.
« Das wissen sie selbst am besten!» Seine Stimme quoll über vor Hass. Tränen bahnten sich ihren Weg über meine Wangen.
« Nein, das weiß ich nicht!», rief ich erstickt, als wir das Tor zum Friedhof erreicht hatten.
« Und tschüss!» schrie er, drehte sich um und lief wutschnaubend davon. So elend hatte ich mich nicht im Ansatz gefühlt, nachdem mich Marcus verlassen hatte. Es schien fast so, als gab er mir die Schuld für etwas. Für den Tod seiner Eltern? Das war vollkommen absurd. Sie starben in einem Autounfall, an dem ich unmöglich beteiligt gewesen sein konnte.
Waffenstillstand
Am n ächsten Tag wurde ich in der Firma mit der Neuigkeit konfrontiert, dass Tino Angelus als mein neuer Chef die Geschäftsführung der Firma seines Vaters übernommen hatte. Dies war der Tag, an dem die Hölle auf der Arbeit ihren Anfang nahm. Ich hielt drei Tage durch, in denen ich mich von Tino wegen Kleinigkeiten anschreien ließ und seine giftigen Blicke ertrug, die mir durch Mark und Bein
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