Sommerrot

Wenn ich das wüsste! Dabei war er bei unserer ersten Begegnung richtig liebevoll zu mir!»
    « Jetzt kapier ich gar nichts mehr! Hast du ihn irgendwie verletzt?»
    « Nein sicherlich nicht. Es gab nur diese eine schöne Begegnung mit ihm und das nächste mal, als ich ihn traf, schoss er seine giftigen Wutpfeilen auf mich ab. Vielleicht ist er ja ein Psychopath!»
    « Hm, sei auf jeden Fall vorsichtig, Lena. Wirst du das Angebot denn annehmen?»
    « Ja, ich habe schon zugesagt. Es geht ja auch um das Überleben der Firma und die anderen Mitarbeiter können schließlich nichts für Tinos Ausraster»
    « Dann drücke ich dir die Daumen, dass es die richtige Entscheidung war.»
    Wir quatschen und lachen noch bis sp ät abends und hätten auch noch länger zusammen gesessen, aber wir müssen beide man nächsten Tag fit sein – Mira für ihre neue Arbeit und ich für die Löwengrube, die mich bei Terratec erwartet.
     
    Der erste Tag danach
    Als ich am n ächsten Tag zur Arbeit radle, vollführt mein Magen Saltos. Ich bin aufgeregt wie vor Abiturprüfung. Mit einem flauen Gefühl im Bauch betrete ich den Aufzug. Hier habe ich Tino zum ersten mal getroffen und wir haben uns geliebt. Die Flugzeuge in meinem Inneren prallen in vollem Flug gegen meine Eingeweide, als ich auf den blau leuchtenden Pfeil nach oben drücke und sich die Türen schließen. Wie immer blickt mir Natalie am Empfangsdame mit schnippischer Arroganz entgegen, als ich eintrete.
    « Na, hast du deine 'Krankheit' von gestern wieder auskuriert, Lena?»
    Ich nicke kurz und verschwinde rasch in meinem Vorzimmer, wo Tino mich schon erwartet. Um seine Augen haben sich dunkle Ringe gebildet und sie wirken irgendwie leidend, als er mich ansieht. Ich zittere. Seine Gegenwart w ühlt mich innerlich auf.
    « Ich benötige dringend die Zugangsdaten für die Systeme, Frau Sommer!»
    Ich wundere mich, dass ihm nicht schon viel fr üher aufgefallen ist. Außerdem hätte er einen der Techniker bitten können, ihm einen neuen Zugang mit allen Rechten zu verschaffen, aber offensichtlich wusste er das nicht. Überhaupt war mir nicht klar, über welche Ausbildung er verfügte.
    « Ich kümmere mich darum, dass sie einen eigenen Zugang mit allen notwendigen Rechten erhalten», antworte ich bereitwillig.
    « Können sie mir bis dahin bitte die aktuellen Bilanzen ausdrucken? Außerdem benötige ich eine Liste mit den Kundendaten und eine Übersicht aller wichtigen Termine.»
    « Natürlich! Das erledige ich sofort.»
    Das waren die Dinge, die ich eigentlich f ür den ersten Tag erwartet hatte, als er die Firma übernahm. Aber an einem Tag beide Eltern zu verlieren, kann einen Menschen schon ziemlich aus der Bahn werfen, da ist seine Verwirrung zumindest verständlich. Er lässt mich keine Sekunde aus den Augen, als ich im Computer die notwendigen Daten zusammenstelle und sie an den Drucker schicke.
    Dann rufe ich Jonas an, den Leiter in der Informatik – die Techniker sitzen im Stockwerk darunter – und bitte ihn um einen neuen Zugang für Herrn Angelus.
    « Gut, ich sende dir die Anmeldedaten gleich per Email rüber. Schön, dass du wieder im Team bist, Lena! Ohne dich geht hier einfach gar nichts. Wir haben fast den ganzen Tag Nase gebohrt, weil wir nicht wussten, was wir tun sollten. Und mit dem neuen Chef war überhaupt nichts anzufangen. Der Tod seiner Eltern hat ihn wohl so aus der Bahn geworfen, dass er  wie ein wild gewordenes Tier durch die Gänge lief», blökt er so laut durchs Telefon, dass sogar Tino es hören muss. Ich schiele zu ihm auf und sehe, dass sich seine Augen verfinstern. Um schlimmeres zu verhindern unterbreche ich Jonas in seinem Redefluss.
    « Wenn ihr mit dem neuen Release für die Branchenlösung der Ingenieure fertig seid, könnt ihr euch daran machen, die Bugs fürs die Mediasoftware zu fixen. Angelus Senior wollte, dass sie bis Ende des Monats fehlerfrei und präsentationsfertig läuft. Die Bugliste habt ihr doch, oder?»
    « Ja, die haben wir. Danke Lena! Langsam ist mir die Lust an Minesweeper und Solitäre auch schon vergangen. Hast du heute Abend eigentlich schon was vor?»
    Ich stocke. Jonas fragt mich nicht zum ersten mal, ob ich mit ihm ausgehen will, aber ich habe nie zugesagt. Zum einen, weil ich nach der Sache mit Marcus einfach erst einmal genug hatte von M ännern und zum anderen, weil mich das Gefühl beschleicht, dass Jonas deutlich mehr von mir will, als ich ihm jemals geben kann. Aber ein unverfängliches Treffen mit jemandem,