Sommersonne
wie ich.
Als ich das Krankenhaus erreichte, war ich überrascht. Als ich noch ein Kind gewesen war, war es nicht viel mehr als eine bessere Wellblechhütte gewesen und meine Mutter hatte uns alle drei immer hierher geschleift, wenn einer von uns genäht werden musste. Heute war es ein großes, modern aussehendes Krankenhaus.
Ich hatte ihr nie erzählt, dass mein Bruder mich einmal mit einem Schlagstock geschlagen hatte; sie glaubt immer noch, ich wäre von einem Baum gefallen. Er hatte nicht vorgehabt, derart kräftig zuzuschlagen, und außerdem hatte ich nicht sterben wollen, nur weil ich ihn verpetzte.
Ich stürmte zum Informationsschalter und verlangte hektisch, zum Zimmer von Officer Seavers geführt zu werden.
Die Angestellte hinter dem Schalter nahm mir augenblicklich den Wind aus den Segeln. »Sind Sie ein Verwandter?«
»Nein, ich bin… ich bin ein… Freund«, sagte ich.
»Nur den nächsten Verwandten ist es gestattet, sich in den Behandlungsräumen aufzuhalten«, sagte sie. »Sie müssen warten.«
»Ich bin ein besonderer Freund, sein… sehr enger Freund.«
Sanft sah sie mich an. »Sind Sie sein Lebenspartner?«
»Nein, nicht ganz. Wir haben nicht… haben keine…«
»Wenn Ihr Name nicht auf seiner Kontaktliste für medizinische Notfälle steht, kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen. Sie müssen warten.« Sie deutete auf die Sofareihen, die sich an den Wänden des Raums entlangzogen.
»Können Sie mir wenigstens sagen, ob er lebt?«, fragte ich verzweifelt.
Sie überprüfte es im Computer. »Ja, das kann ich Ihnen sagen.«
»Ist er verletzt? Ich hab gehört, er wurde… angeschossen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht, hier steht nur, dass er in der Notaufnahme ist.«
Ich fing an, unruhig durch den Raum zu tigern, und spielte mit dem Gedanken, ob ich es wagen sollte, einen der Polizeibeamten anzusprechen, die durch den Warteraum liefen. Sie waren alle ziemlich in Eile und sahen angespannt aus. Ich hatte keine Möglichkeit abzuschätzen, wie viele von ihnen verletzt oder tot waren, und ich vermutete, dass auch keiner von ihnen darüber mit mir sprechen würde.
Ein Mann, der eine gewisse Ähnlichkeit mit Russ hatte, betrat das Krankenhaus, begleitet von einer Frau mit langen, blonden Haaren. Ich fragte mich, ob das Russ' Bruder war.
»Russ Seavers?«, hörte ich ihn fragen.
Nach einem kurzen Wortwechsel erschien eine Krankenschwester, um ihn in Richtung der Behandlungsräume zu führen. Seine Frau küsste ihn und ließ ihn dann gehen.
Ich nahm all meinen Mut zusammen und ging auf sie zu. »Entschuldigen Sie.«
Sie hatte hellgrüne Augen und ihr hübsches Gesicht sah besorgt aus.
»Sind Sie die Schwägerin von Russ Seavers?«
»Die bin ich, und Sie sind?«
»Sie kennen mich nicht, zumindest nicht meinen Namen, es ist nur, dass… man sagt mir hier nichts und… lebt er noch?« Jeder Muskel in meinem Körper war bis zum Zerreißen angespannt, hoffte und betete.
»Sind Sie J.D.?«, fragte sie.
Ich war mir nicht sicher, ob ich ihr die Wahrheit sagen sollte, aus Angst, sie würde mir eine reinschlagen, falls sie darüber Bescheid wusste, was ich Russ zuletzt an den Kopf geworfen hatte. »Ja, J.D. Andrews.«
Mitgefühl erschien in ihrem Blick, nachdem ich zugegeben hatte, wer ich war, und sie legte mir eine Hand auf den Arm. »Setzen wir uns kurz da rüber. Er lebt. Ich glaube nicht, dass es lebensbedrohlich ist. Ich bin übrigens Janice Seavers.«
»Gott sei Dank!«, entfuhr es mir.
Sie grinste mich an. Meine Hoffnung, dass sie nichts über unser Verhältnis zueinander wusste, starb auf der Stelle. »Warum warten Sie nicht zusammen mit mir hier, bis George zurückkommt? Dann wissen wir beide mehr.«
Ich wollte ihr irgendetwas Gutes tun, um ihre Freundlichkeit zu erwidern. »Kann ich Ihnen einen Kaffee holen? Eine Limo? Einen Donut? Einen Schokoriegel…«
Lachend hob sie eine Hand. »Nein, danke, ich versuche gerade, abzunehmen.« Sie setzte sich hin und zog mich auf den Platz neben sich, womit sie sehr effektiv meine Karriere als Hin und Herläufer beendete. »Wenn George zurückkommt, bringe ich ihn dazu, Russ zu sagen, dass Sie hier sind.«
»Er wird mich nicht sehen wollen«, sagte ich kläglich. »Aber ich musste wissen, ob es ihm gut geht.«
Es war nicht zu übersehen, dass sie neugierig war, aber sie zeigte gute Manieren und bedrängte mich nicht. »Hören Sie, als man uns angerufen hat, haben sie auch gesagt, dass Russ' Zustand nicht kritisch ist.
Weitere Kostenlose Bücher