Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
der Wahrheit entsprach.
So schnell sie ihre Beine tragen konnten, eilte sie durch das Schloss, den Garten und das Labyrinth. Verzweifelt versuchte sie, sich an den Weg zur Abaläe zu erinnern und als sie sie endlich gefunden hatte, gab es keine Spur von Ehrfurcht oder Zurückhaltung. Ohne zu zögern riss sie der weinenden Skulptur die Maske vom Gesicht. Doch auch als sie dahinter weder Mund noch Nase noch sonst irgendetwas finden konnte, das sich einer speziellen Person zuordnen ließ, stellte sich keine Erleichterung ein.
„Kind“, hörte sie die besorgte Stimme ihrer Großmutter hinter sich sagen, „ist alles in Ordnung? Ich habe gesehen, wie du aus deinem Zimmer gelaufen bist und mir Sorgen gemacht.“
Ungehalten stürmte Arrow in ihre Arme und brach augenblicklich in Tränen aus.
„Du musst Tyron von hier fortbringen, gleich morgen“, schluchzte sie. „Er ist das Kind aus der Prophezeiung.“
„Bist du dir sicher?“, fragte Dewayne.
„Natürlich nicht!“, antwortete Arrow aufgelöst. „Es war ein Traum. Ich weiß nicht, wie viel Realität darin steckt. Mit Gewissheit kann man so etwas doch immer erst sagen, wenn es schon zu spät ist.“
„Aber wenn du dir nun vollkommen grundlos Sorgen machst“, entgegnete Neve mitfühlend, „dann schickst du dein Kind von hier fort und riskierst, es vielleicht nie wiederzusehen.“
„Was würdest du denn tun, wenn du an meiner Stelle wärst?“, fuhr sie die Elfe an. „Du würdest doch auch nicht das Leben deiner Tochter aufs Spiel setzen!“
„Und dieser Mann, den du in deinem Traum gesehen hast“, warf Anne besorgt ein, „kennst du ihn?“
Arrow nickte. „Ich habe ihn schon einmal gesehen, an dem Morgen, an dem ich mit Emily aus dem Holunderwald gekommen bin. Er stand auf dem Gipfel eines Berges und seine bloße Gegenwart hat mir Angst eingeflößt.“
„Kannst du ihn beschreiben?“, fragte Dewayne hellhörig.
„Langes, weißes Haar, weißer Bart und glatte, blasse Haut. Auffallend waren auch die edlen Kleider, die er trug. Um ein Haar hätte ich ihn für einen Frostelfen gehalten, wären da nicht die ...“
„Pechschwarzen Augen gewesen“, beendete Dewayne den Satz.
„Du kennst ihn?“
„Das ist Laris“, entgegnete Neve erschrocken. „Er ist uns auf den Fersen.“
Die Elfe wurde kreidebleich und sandte hilfesuchende Blicke nach Dewayne aus. Nie zuvor hatte Arrow sie derart ängstlich erlebt. Es war, als streckte der Tod selbst die Hand nach ihr aus oder vielmehr sogar als hätte er schon seine eiskalten, knochigen Finger um ihren zierlichen Körper geschlungen. Ihr Anblick ließ Arrow einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen und in dieser Sekunde wusste sie, dass die Angst, die sie in der Gegenwart dieses Mannes verspürt hatte, keineswegs unbegründet gewesen war.
„Damit haben wir schon lange gerechnet“, sagte Dewayne. Er versuchte einen gefassten Eindruck zu machen, doch sein starrer, leerer Blick verriet, dass diese Neuigkeit auch an ihm nicht spurlos vorbeiging.
„Wer ist er?“, fragte Arrow.
„Der oberste und damit gleichzeitig gefährlichste der Alten Könige.“
„Ein Túatha Dé Danann“, flüsterte sie erschrocken. „Das erklärt auch das seltsame Gefühl, das ich bei seinem Anblick verspürt habe. Es war wie damals im Wald, als ich den Reiterzug beobachtet habe.“
„Du hättest uns sagen müssen, dass du ihm begegnet bist“, sagte die Elfe tadelnd. „Wenn er zu dem Zeitpunkt schon so nah gewesen ist, wage ich kaum mir auszumalen, wann sie unser Versteck entdecken und hier einfallen werden.“
„Ich weiß“, entgegnete Arrow betroffen. „Und ich hatte ja auch vor, euch davon zu erzählen. Doch dann war da die Sache mit Emily und eure Reaktion auf ihre Anwesenheit. Über all diese Dinge habe ich dann nicht mehr daran gedacht, was auch keine Entschuldigung sein soll, aber ...“
„Es war alles ein bisschen viel in letzter Zeit“, schloss Anne die Entschuldigung mitfühlend.
„Ich halte es für unwahrscheinlich, dass sie diesen Ort hier finden werden“, meldete Smitt sich zu Wort, der die ganze Zeit über schweigend zugehört hatte. Und mit eben diesem Satz erhielt er von einem Moment auf den nächsten die ganze Aufmerksamkeit der Anwesenden.
„Das ist ein Scherz, oder?“, entgegnete Dewayne spöttisch. „Du, der in allem, was passiert, ein böses Omen sieht, hältst es für unmöglich, dass die Túatha Dé Danann uns hier finden?“
„Das Eislabyrinth besteht nicht einfach nur aus
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