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Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Titel: Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Stoye
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dennoch durch Mark und Bein.
    Merrows hatten einen sehr zwiespältigen Ruf. Sie waren das männliche Gegenstück einer Meerjungfrau, doch mit ihren durchgehend grünen Körpern, den Rückenflossen, Kiemen und den gelben, schlitzförmigen Pupillen muteten sie dermaßen furchteinflößend an, dass man gar nicht anders konnte, als sie zu fürchten. Arrow war ihnen schon einmal begegnet und erinnerte sich noch genau an den Schrecken, den ihr diese Wesen seinerzeit eingejagt hatten. Keylam hatte erzählt, dass man von vornherein nie sagen konnte, ob sie einem wohlgesonnen waren, und dass sich das erst zeigen würde, sobald sich die Wege trennten.
    Der Merrow schaute sie finster an und als er sein breites, froschähnliches Maul öffnete, aus dem unzählige spitze Zähne hervorlugten, ergriff sie die Flucht. Eilig verwandelte sie sich in einen Wirbelwind und brauste davon. Doch sie konnte auch jetzt kaum etwas erkennen. Hätte sie nicht die Orientierung verloren, wäre sie zum Eingang des Sees zurückgeschwommen. Nun aber hoffte sie, dass das Schicksal ihr wohlgesonnen war und ihr einen anderen Weg aus dieser misslichen Lage wies.
    Der schrille Schrei des Meermannes hallte durch das Wasser und verriet, dass er ihr noch immer dicht auf den Fersen war. Offenbar war er noch um einiges schneller, als sie es für möglich gehalten hatte. Allmählich schwand ihre Kraft. Sie fühlte, wie sie langsamer wurde und Gefahr lief, das Bewusstsein zu verlieren. Dann ertönte ein weiterer Schrei und plötzlich noch einer. Der Merrow war nicht allein. Es musste wenigstens noch einen weiteren geben, der mit ihm zusammen Jagd auf sie machte.
    Arrow verwandelte sich zurück. Es war ausweglos. Sie würde nun jeden Moment die Besinnung verlieren und würde ihnen dann ohnehin in die Hände fallen. Mit der letzten, ihr noch verbleibenden Kraft hoffte sie darauf, dass diese Kreaturen es vielleicht doch gut mit ihr meinten und ihr, wie schon bei ihrer ersten Begegnung, aus dem Wasser helfen würden. Nur dumpf nahm sie noch wahr, wie sich der kräftige Arm eines der Merrows um ihre Hüfte schlang und er sich anschließend geschwind mit ihr durch das Wasser bewegte. So schnell, wie er schwamm, wäre sie ihm niemals entkommen. An Land war sie als Wind um ein vielfaches schneller, doch in diesem Element gab es ganz eindeutig einen anderen Gewinner.
    Abrupt hielt der Merrow an und schon im nächsten Augenblick schnellte ihr Körper aus dem Wasser und prallte völlig durchnässt auf einen staubigen Boden. Sofort rang sie nach Atem und ihr Brustkorb schmerzte, als würden unzählige feine, spitze Nadeln darauf einstechen. Reflexartig drehte sie sich auf den Bauch, hustete und spie dabei Flüssigkeit aus. Immer wieder wand sie sich von einer Seite zur anderen und wünschte sich einfach nur, dass dieser unerträgliche Schmerz nachlassen würde. War es nicht schon schlimm genug, dem Tod ein weiteres Mal so erschreckend nah in die Augen gesehen und dabei lähmende Angst verspürt zu haben? Mussten dann tatsächlich auch noch diese höllischen Qualen dazu kommen?
    „Du bist genau wie dein Vater“, vernahm sie plötzlich Elaines Stimme. „Die Treffen mit ihm sind auch nur in den seltensten Fällen so abgelaufen, wie ich sie geplant hatte.“
    Erschöpft hob Arrow den Kopf und kämpfte dabei mit aller Kraft gegen den brennenden Schmerz in ihren Augen an. Sie zwinkerte immer wieder, presste die Augenlider fest zusammen und öffnete sie wieder. Ganz allmählich wurden aus den verschwommenen Bildern klare Konturen, und als sie das freundliche Lächeln der Grünen Lady erkannte, waren die Schmerzen augenblicklich vergessen.
    „Warum machst du es auch immer so kompliziert?“, entgegnete Arrow sarkastisch und erhob sich von dem staubigen Boden. Mit verzogenem Gesicht wandte sie sich der riesigen Wasserwand zu, die, genau wie im Schloss, das nasse Element wie ein gewaltiger Spiegel von der unterirdischen Höhle trennte. Noch ein wenig benommen wusch sie sich den Sand aus Augen und Gesicht und wandte sich dann Elaine zu.
    Sie sah noch immer genauso aus wie bei ihrer ersten Begegnung. Nichts von ihrer Schönheit hatte sie eingebüßt. Nach wie vor von einem Meer aus Efeu umgeben erstrahlte sie voller Tugend in der tristen, kargen Felsgrotte. Das wallende, erdbraune Haar fiel noch immer geschmeidig über die Hüften ihres schlanken Körpers und ihre glasklaren Augen schimmerten wie Smaragde, die einen wunderschönen Kontrast zu ihrer blassen, makellosen Haut

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