Sommerstueck
bedeutsam um sich blickend das Bündel Geldscheine herauszog und es endlich lässig, aber hart, vor sich auf die Platte knallte. Es war gekonnt, es war volkstümliches Theater, und es war sein letztes, unwiderlegbares Argument. Es war Überredung durch Gewalt. Wir sahen die Wirkung. Die verschlagenen Züge der Frau lösten sich auf. Wir sahen, wie ihre Gier den letzten Widerstand wegschwemmte. Sie war besiegt.
Ach ja! stöhnte der Mann vom Ofen her. Niemand wies ihn zurecht.
Die Frau machte sich an das Zählen von viertausend Mark in Hundertmarkscheinen. Das dauerte, man muß es gesehen haben. Der einzige, der keine Spur von Ungeduld zeigte, denn er war glücklich, war Antonis. Ich bitte euch! wies er uns zurecht, als die Frau zum drittenmal daranging, die vier Bündel zu je tausend Mark durchzublättern, und als wir Zeichen von Unmut von uns gaben. Dazu braucht der Mensch Ruhe. Viertausend Mark sind schließlich viertausend Mark.
Das Stück strebte seinem glücklichen Ende zu, da sagte der alte Mann vom Ofen her fröhlich: Und jetzt zeig ich Ihnen mal meinen Gewehrschrank.
Das war eigentlich zuviel. So schnell stürzt die Komödie in die Klamotte. Es war eigentlich mehr, als wir jetzt noch gebrauchen konnten, aber nun hieß es, ergeben noch einmal hinter dem Mann, dem das Hemd weit aus der Hose hing, über den Flur zu trotten, noch einmal an der Truhe vorbei, die sich nicht verändert hatte, soweit wir sehen konnten, noch einmal in das dumpfe leere Jagdzimmer, noch einmal in die Ecke, in die unten der Gewehrschrank eingelassen war. Noch einmal das unendliche Gefummel mit den Sicherheitsschlüsseln ansehen müssen, die leere Höhlung im Fußboden bestaunen und die umständliche Darlegung der Sicherheitsbestimmungen bei Waffenbesitz über uns ergehen lassen, die sich im Lauf der letzten halben Stunde, das war jedenfalls unser Eindruck, noch verworrener gestaltet hatten. Ja, sagte der Mann, als wir wieder ins Zimmer traten. Bei mir, da saß jeder Schuß!
Du steck dir mal lieber dein Hemd in die Hose! kam es scharf von Tische her.
Wir atmeten auf. Aber nun ging es ja noch darum, einen regelrechten Kaufvertrag aufzusetzen. Das brachte Antonis sehr schnell hinter sich, auf vorbereitetem Papier, mit fix und fertig im Kopf vorgebildeten Formulierungen. Er unterschrieb, ließ die Frau unterschreiben, die nicht lange mehr unterschriftsfähig gewesen wäre. Sie trank jetzt in vollen Zügen. Jan versuchte, sich die Flaschenbatterie vorzustellen, in die man viertausend Mark verwandeln kann. Währenddes lösten die bis jetzt mühsam gewahrten Formen sich auf, Anstandund Höflichkeit verflüchtigten sich, das Chaos nahm Besitz von der Försterstube, es wurde allerhöchste Zeit, den Rückzug anzutreten. Zwar bot der Mann uns freundlich und dringlich an, uns doch wenigstens seinen Gewehrschrank noch zu zeigen, aber die Frau, die schwankend im Türrahmen stand, beschied ihn: Du halt mal jetzt endlich dein ungewaschenes Maul. Sie griff, während sie sich vorwärtsbewegte, nach festen Gegenständen. Die Grippewelle habe sie eben immer noch nicht ganz losgelassen. – Ach ja! vom Ofen her. – Hemd in die Hose!
Morgen, sagte Antonis besorgt zu der Frau, morgen laß ich die Truhe abholen. Vergessen Sie das nicht. Ich hab die jetzt gekauft. Es ist meine. Verkaufen Sie die nicht noch mal!
Is recht, is recht, lallte die Frau und verabschiedete uns mit einer Handbewegung, die erhaben angelegt war, ihr aber fahrig entglitt.
Über die Herkunft der Truhe hatte sie sich kein Wort entlocken lassen, nüchtern nicht und betrunken auch nicht. Charakter hat sie ja, das muß man ihr lassen, sagte Antonis. Wir versuchten, den Alptraum mit Witzen abzuschütteln. Der Satz von den »Fußkranken der Völkerwanderung« fiel Jan ein. Ellen erinnerte sich an die Menschenströme, die bei Kriegsende über die Straßen Mecklenburgs und als Rinnsale in die Bauernhäuser gespült worden waren und zu denen sie gehört hatte. Nun, dreißig Jahre später, begegnete ihr das menschliche Strandgut, das nicht wieder hatte flott werden können. All die Jahre über, die sie woanders verbrachte, hatte sie an diese Menschen kaum gedacht.
12.
Ob ihr es noch wißt, wie der Sommer weiterging? Wie Bella bei Luisa einzog, kurz nachdem Antonis uns verlassen hatte? Bella mit ihrem kleinen Sohn Jonas. Wie sie sich in dem Bodenzimmer einquartierten, dessen Fenster einen Blick über das Land freigab, von dem Bella sagte, er ziehe ihr das Herz zusammen. Das zieht einem ja
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