Sommerstueck
und auf Anton hinaussehen, als sei der ihr bester Freund, aber doch nicht der einzige Anton. Und er, der gerade Littelmary auf sich reiten ließ und zugleich mit Jonas die Verwendungsmöglichkeiten der verschiedenen Holzsorten zu Verteidigungszwecken erörterte, er gab ihr einen Blick zurück, ein bißchen traurig, ein bißchen spöttisch. Wie er eben sein konnte. – Also Herrschaften! rief Jenny in ihrem Befehlston. Spielen wir nun ein Stück oder nicht!
Dies war das Stichwort für Steffi, die vom Flur her in die Küche trat, hallo! rief und, als alle sich ihr schnell zugewandt hatten, auf den Auslöser ihrer Kamera drückte. Danke! Das werde ein gelungenes Szenenfoto. Stellt euch vor, sagte sie, sie seien unterwegs, um sich auch ein Bauernhaus anzusehen, ganz in der Nähe. Stellt euch vor, da wird was draus, und wir leben für den Rest unserer Tage alle hier beieinander, auf Zuruf.
Wißt ihr noch, wie still es in der Küche werden konnte,auch wenn ein Dutzend Menschen darin war? Und wie laut dann eine einzelne Stimme klingen konnte – es war die von Jenny –, die energisch sagte: Hier wird sich gar nichts vorgestellt, meine Dame. Wir sind nämlich mitten in einem Stück. Hier ist alles die reine Wirklichkeit.
Was soll ich viel darüber reden, ihr wißt es selbst: Ein Satz wie dieser konnte das ganze Haus hochheben, mit uns allen darin, konnte uns sekundenlang in der Schwebe halten, und als wir langsam, langsam wieder heruntersanken, hatten wir alle in der Magengegend diesen Fahrstuhlkitzel. Und wenn der Rest unserer Tage auf diesen Tag zusammenschmolz – heute lebten wir, wie man leben soll, und darauf kam es an.
Luisa fragte an, ob es sich dramaturgisch machen lasse, daß sie eine Pita backe. – Jetzt? Hier? Vom Fleck weg? fragte Jenny. – Ich dachte, sagte Luisa. – Also meinetwegen, sagte Jenny. Das bauen wir als retardierendes Moment zwischen die Verführungsszene, die inzwischen hoffentlich stattgefunden hat – Clemens und Luisa nickten gehorsam –, und den Auftritt der ahnungslosen Naiven ein. – Halt mal, rief Irene. Die Naive kann ja gleichzeitig auftreten. Sie kann ja der jugendlichen Geliebten sogar beim Backen helfen, wie ich es jetzt mache, und dann kann sie, wie die Naiven das fast immer tun, währenddessen ihren Traum erzählen. – Welchen Traum, sagte Jenny. – Den Traum der letzten Nacht. Also hört mal her, der paßt sogar hervorragend in das Stück. Sie sei in einem riesigen Gebäude mit vielen, vielen Gängen, Treppen, Fluren, Kammern und Zimmern gegangen, treppauf und treppab, und habe den Ausgang nicht finden können. Immer habe es sienach oben gezogen, aber immer habe sie sich verbiestert, sich in engen Sackgassen verrannt, wenn sie diesem Zug gefolgt sei. »Verstiegen«, – so ein Wort habe sie wirklich im Traum gehört. Und dann, als sie es schon nicht mehr erhoffte, habe sie den Ausgang ins Freie gefunden, ganz natürlich zu ebener Erde. Sie sei ganz beglückt gewesen beim Erwachen. Dieser Traum könne doch nichts anderes bedeuten, als daß sie, bildlich gesprochen, auf dem Teppich bleiben solle. Oder? Daß es ihr nicht bekomme, zu hoch hinaus zu wollen.
Kann möglich sein, sagte Jenny. Aber sie sei hier nicht als Traumdeuter engagiert, sondern als Regisseur, und wer freihändig solche Träume in die Handlung rein erzähle, sei als Naive einfach fehlbesetzt. – Sag ich doch, sagte Irene fröhlich, lebendig und schön mit ihrer lila Malvenblüte im Haar. – Jenny sagte, ihr wachse diese Produktion über den Kopf, für sie sei jetzt erst mal Pause.
Na gut, sagte Luisa, das käme ihr gerade recht, dann könnte sie in Ruhe die Pita zu Ende backen. Niemals kaltes Wasser für den Teig nehmen! schärfte sie uns ein. Merkt es euch: immer lauwarmes! Die Füllung könne man beliebig variieren. Quark sei immer gut. Und Spinat. Oder Kürbis. Oder, im Frühjahr, Löwenzahn. Oder anderes Wildgemüse. Was man eben habe, die Griechen, müßten wir uns klarmachen, seien ein armes Volk. Hauptsächlich komme es aber darauf an, das Teigblatt dünn, dünn, dünn zu walken. Wir sahen ihr zu, welche Kunststücke sie mit dem kurzen Besenstielende betrieb, mit dem sie den Teig ausrollte, ihn schnell und geschickt vom Tisch löste, hochnahm, ihn gegen das Licht hielt, umdrehte, wieder auf den Tisch brachteund flink, flink weiter behandelte, bis er hauchdünn war und mit der Füllung beworfen werden konnte. Wir verfolgten gebannt die Zauberei, die sie mit ihren Händen da vornahm. Im Handumdrehen
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