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Sommerzeit

Titel: Sommerzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mari Jungstedt
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Österport vorbeikam, klingelte ihr Telefon.
    »Hallo, hier ist Anders. Machst du Witze?«
    »Schön wär’s.«
    Sie musste einfach den Mund verziehen, als sie hörte, wie konsterniert er klang, es frustrierte ihn, nicht vor Ort zu sein.
    »Ich habe mehrere Male versucht, dich anzurufen.«
    »Mein Telefon musste aufgeladen werden, und ich hatte es ausgeschaltet. Dann habe ich vergessen, es einzustecken.
Du weißt doch, ich bin in Urlaub«, sagte er missmutig. »Jetzt erzähl endlich, was ist passiert?«
    Karin fasste die Ereignisse kurz zusammen, während sie durch die Österport in der Stadtmauer von Visby und dann weiter durch die Hästgata ging.
    Die Lokale waren voll besetzt mit Menschen, die den warmen Abend genossen. Aus Bars und Restaurants strömte Musik. Visbys Vergnügungsleben war im Sommer immer sehr betriebsam, und im Moment herrschte Hochsaison.
    Sie war bei der Mellangata angekommen, als sie ihren Bericht beendet hatte.
    »Meine Güte«, sagte Knutas. »Was habt ihr bis jetzt unternommen?«
    »Ich habe mit Martin Kihlgård gesprochen, er kommt morgen mit einigen Kollegen von der Zentralen Kriminalpolizei her.«
    Am anderen Ende der Leitung herrschte erst einmal Schweigen. Karin hatte ihre Haustür erreicht. Sie hatte ein schlechtes Gewissen. Knutas war im wohlverdienten Urlaub, den er wirklich brauchte, zudem war es schon spät, und er müsste sich seiner Frau widmen, statt mit Karin über die Arbeit zu reden.
    »Du«, sagte sie nun. »Jetzt bist du im Bilde. Aber du hast Urlaub. Wir schaffen das schon, Anders.«
    »Davon bin ich überzeugt. Ruf mich an, wenn es etwas Neues gibt. Du störst mich nicht.«
    »Danke. Gute Nacht.«
    »Ebenfalls. Grüß die anderen.«
    »Sicher.«
     
    Als Karin in dieser Nacht schlafen ging, fühlte sie sich so einsam wie schon lange nicht mehr.

Hamburg, 22. Juni 1985

    S ie saß in der Küche und schaute sehnsüchtig auf die andere Seite der Friedenstraße. Das Haus gegenüber hatte eine helle Fassade und erstreckte sich über sechs Stockwerke. Sie brauchte die Fenster nicht mehr zu zählen, um zu wissen, wo er wohnte. Gotthard Westenfelder – sie ließ sich diesen Namen auf der Zunge zergehen. Sagte ihn laut. Noch nie in ihrem zweiundzwanzigjährigen Leben war sie so verliebt gewesen. Sie hatten sich nach ihrem ersten Jahr an der Universität kennengelernt. Beide studierten auf Lehramt und hatten viele gemeinsame Veranstaltungen. Schon am allerersten Tag hatte sie gefunden, dass er etwas ganz Besonderes war. Nicht nur wegen seines Aussehens, auch wenn auf auffiel mit seinen blonden Haaren und seinen grünen Augen. Erst nach einer Woche waren sie miteinander ins Gespräch gekommen. Er hatte sie gefragt, wo er eins der Bücher finden konnte, die auf der Lektüreliste standen. Sie begriff sofort, dass es ihm bei dieser Frage nicht nur um das Buch ging. Sie gingen in ein Café und am nächsten Tag ins Kino, und dann hatte er sie geküsst. Das war jetzt zwei Wochen her, und sie war so verliebt, dass sie an nichts anderes denken konnte. Wenn sie nicht mit ihm zusammen war, sah sie trotzdem sein Gesicht, überall.

    Jetzt saß sie da und versuchte, für die letzte Klausur vor den Sommerferien zu büffeln, aber immer wieder glitt ihr Blick hinüber zu seinem Haus. Leider ging sein Schlafzimmerfenster in die andere Richtung.
    Vera starrte in ihr Buch, aber die Buchstaben verschwammen vor ihren Augen, sie glitten ineinander und auseinander und lebten ihr eigenes Leben. Sie seufzte und schaute ein letztes Mal aus dem Fenster, dann stand sie auf und ging zur Toilette.
    Sie blieb vor dem Spiegel stehen. Studierte ihr Gesicht. Vera war mit ihrem Aussehen ziemlich zufrieden, auch wenn sie ihre Schwester Tanja schöner fand. Tanja hatte die Schönheit der Mutter geerbt, während Vera nach der russischen Sippe des Vaters kam. Ihre Eltern hatten sich in Berlin kennengelernt, und einige Jahre darauf war die Familie nach Hamburg gezogen, wo ihr Vater Oleg bei einer größeren Firma eine Anstellung als Biologe gefunden hatte, während Mutter Sabine als Lehrerin an einem Gymnasium arbeitete.
    Vera fuhr sich mit dem Finger über die Stirn, folgte der Rundung der Wangenknochen zu ihrem Kinn. Ihre Augen waren groß und grau, mit dunklen Wimpern und Augenbrauen. Sie wurde aus ihren Überlegungen gerissen, als unten im Haus die Tür ins Schloss fiel und die Stimme ihrer jüngeren Schwester zu hören war.
    »Hallo?«
    Vera nahm ihren Platz am Küchentisch wieder ein.
    »Ich hab vielleicht einen

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