Sommerzeit
Chance sehr groß, dass das Opfer überlebt, falls man keine Schlagader oder das Herz trifft. Ein Profi hätte ihm einen weiteren Schuss in den Kopf verpasst, wenn er nicht sicher gewesen wäre, dass das Opfer tot war.«
»Ein Amateur also, jemand, der noch nie gemordet hat«, sagte Karin. »Zugleich ist es unerhört kaltblütig. Ich meine, so leicht erschießt man doch keinen Menschen von vorn, in die Stirn, aus nächster Nähe.«
»Aber warum ist er zuerst in die Stirn und dann in den Bauch geschossen worden?«, fragte Wittberg. »Umgekehrt wirkt es doch sinnvoller? Man schießt in den Bauch, und um ganz sicher sein zu können, schließt man mit einem Schuss in den Kopf ab?«
»Ich hab da nur so ein Gefühl«, sagte Sohlman. »Eigentlich wissen wir nichts, solange die Obduktion noch aussteht. Der Gerichtsmediziner kann uns dann sicher
verraten, in welcher Reihenfolge die Schüsse abgegeben worden sind.«
»Kannst du etwas über die Waffe sagen?«, fragte Karin.
»Nur, dass es sich um eine kleinkalibrige Pistole handelt. Mehr weiß ich erst, wenn wir uns die Kugeln angesehen haben.«
»Die Frage ist, woher der Mörder wissen konnte, dass Peter Bovide so früh am Morgen loslaufen würde«, murmelte Wittberg. »Wenn das also geplant war, meine ich.«
»Wir müssen wohl davon ausgehen, dass es geplant war«, sagte Norrby und schlug eines langes Bein über das andere. »Wie lange waren sie schon auf dem Campingplatz, hast du gesagt?«
»Seit drei Tagen«, antwortete Karin.
»Der Täter hat Peter Bovide auf dem Campingplatz beobachtet und sich ein Bild von seinen Gewohnheiten gemacht.«
»Offenbar ist er jeden Morgen um dieselbe Zeit losgelaufen«, sagte Karin. »Immer. Jeden Tag, das ganze Jahr über.«
Sie streckte die Hand nach der Thermoskanne voll Kaffee auf dem Tisch aus.
»Was ich nicht begreife, ist, warum der Täter den Mord so dicht bei einem voll belegten Campingplatz begangen hat. Kommt euch das nicht ziemlich unsinnig vor?«
»Vielleicht wohnt er ja auch auf dem Campingplatz«, meinte Wittberg. »Es kann jemand sein, den Peter Bovide gerade kennengelernt hatte.«
»Oder es besteht irgendein Grund, warum der Täter nicht in Bovides häuslicher Umgebung aktiv werden wollte«,
sagte Smittenberg. »Es kann ein Nachbar sein, ein Arbeitskollege oder irgendwer mit Verbindungen zu Bovides Leben zu Hause in Slite. Ihn auf Fårö umzubringen, kann ein Ablenkungsmanöver gewesen sein.«
»Klingt nicht unwahrscheinlich«, sagte Karin. »Es könnte sich ebenso gut um einen Geistesgestörten handeln. Wir müssen die Waffe so rasch wie möglich sicherstellen. Der Täter kann sie in der Nähe weggeworfen haben. Wir werden die Umgebung der Fundstelle mit Metalldetektoren absuchen und Taucher von der Küstenwache den Küstenabschnitt überprüfen lassen.«
Sie musste unbedingt darauf dringen, dass das kriminaltechnische Labor den Kugeln höchste Priorität zuschrieb, um bald über die verwendete Waffe Bescheid zu wissen. Sie wandte ich an Sohlman.
»Erik, kannst du dafür sorgen, dass das SKL sich beeilt – bei der Obduktion und der Untersuchung der Kugeln? Wir können nicht ausschließen, dass wir es mit einem psychisch Kranken zu tun haben, der jetzt schlimmstenfalls auf den Geschmack gekommen ist. Es besteht die Gefahr, dass er wieder zuschlägt.«
P eter Bovides Kompagnon Johnny Ekwall sah blass und mitgenommen aus, als er am Abend nach dem Mord zur Vernehmung auf der Wache erschien. Sein muskulöser Körper schien eingefallen, und es fiel ihm sichtlich schwer, seine Tränen zurückzuhalten. Schwer ließ er in den Sessel sinken, der Karin gegenüber vor dem Tisch im engen Vernehmungsraum stand. Karin stand. Er stank nach Schweiß, und Karin rümpfte die Nase.
»Ich verstehe, wie schwer es für Sie ist, herkommen zu müssen«, sagte sie dann teilnahmsvoll, »aber leider lässt sich das nicht vermeiden. Wir müssen so schnell wie möglich alles über Peter Bovide in Erfahrung bringen, was wir nur herausfinden können, wenn wir den Täter finden wollen.«
Sie schaltete das Tonbandgerät ein und gab die vorgeschriebenen einführenden Auskünfte, dann ließ sie sich im Sessel nieder und musterte den Mann, der vor ihr saß. Sie wusste, dass er zweiundfünfzig war, fand aber, dass er älter aussah. Seine Haare waren dünn, und er hatte tiefe Furchen im Gesicht.
»Seit wann haben Sie die gemeinsame Firma?«
»Seit fünf Jahren. Peter hatte schon lange davon geträumt,
sich selbstständig zu machen, und
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