Sommerzeit
kannst allen Anrufenden sagen, dass der Mord aller Wahrscheinlichkeit nach nichts mit dem Campingplatz oder der Tatsache zu tun hat, dass das Opfer dort Ferien machte«, sagte Karin.
»Das Einzige, was die Öffentlichkeit beruhigen kann, ist, dass ihr den Täter bald festnehmt. Wie lange wird das noch dauern?«
»Unmöglich zu sagen. Der Mord ist doch erst gestern begangen worden.«
»Aber habt ihr wirklich noch keine Spur? Es muss doch Spuren am Tatort geben, und bestimmt haben eine Menge Menschen etwas gesehen. Ich meine, er ist doch erschossen worden, die Schüsse müssen in der ganzen Gegend zu hören gewesen sein, und Sudersand war schließlich ausgebucht. Jetzt haben etliche Gäste ihren Urlaub abgebrochen und die Insel verlassen. Niemand wird sich noch dorthin trauen. Begreifst du, welche Katastrophe das für den Betreiber des Campingplatzes ist!«
Fantastisch. Sonja Hedström wollte der Polizei offenbar auch noch erklären, wie man eine Mordermittlung führte.
»Im Moment gilt mein Mitgefühl nicht in erster Linie dem Betreiber des Campingplatzes«, sagte Karin trocken. »Und natürlich gibt es Spuren und Zeugen, aber ich brauche eben Zeit, um diesen Dingen nachzugehen, statt
meine Zeit mit überflüssigen Telefongesprächen zu vergeuden.«
»Du brauchst nicht unverschämt zu werden«, sagte Sonja Hedström beleidigt. »Peter Bovide war ein Stammgast auf dem Campingplatz, es ist also kein Wunder, dass es Gerüchte gibt, dass der Mörder Wohnwagenbesitzer hasst oder so. Ich wollte nur eine Auskunft, die die Leute vielleicht etwas beruhigen kann, wenigstens ein bisschen, aber ich werde wohl warten müssen, bis Anders wieder da ist.«
Die Stimme der Tourismuschefin bebte vor Zorn, und sie beendete das Gespräch mit einem Klicken. Sie hatte ganz einfach aufgelegt.
Karins Puls raste, und mit feuerrotem Gesicht ging sie hinaus auf den Gang, um einen Becher Wasser zu trinken. Das half meistens, wenn sie außer sich war.
Als sie das Glas geleert hatte, tauchte Thomas Wittberg auf dem Gang auf. Sonnenverbrannt wie immer, in einem weißen T-Shirt, das seine Bräune betonte, und verwaschenen Jeans. Seine blonden Locken waren noch länger als sonst und hingen weit über seine Augen.
»Na, wie geht’s? Du siehst aus wie eine Gewitterwolke!«
»Frag mich nicht«, sagte sie verbissen und kehrte ihm abweisend den Rücken zu, während sie noch einen Plastikbecher mit Wasser aus dem Spender füllte.
»Ist es so schlimm? Ich hab Neuigkeiten. Vielleicht hilft das.«
Kurz darauf saßen sie in Karins Arbeitszimmer. Thomas hatte ihr gegenüber vor dem Schreibtisch Platz genommen.
»Ich habe eben mit dem Steuermann gesprochen, der gestern Morgen auf der Fåröfähre Dienst hatte. Er hat erzählt,
dass bei der ersten Überfahrt um vier Uhr morgens nur drei Wagen an Bord waren. Er beobachtet auf der Überfahrt gern die Fahrgäste, deshalb weiß er noch genau, wer in den Autos saß. Wenn der Täter sich nicht bereits auf Fårö aufhielt, dann muss er die Fähre um vier Uhr genommen haben. Früher geht keine, und bei der um fünf wäre er zu spät gekommen.«
»Und?«
»Im ersten Auto saß ein junges Paar, das aussah, als ob es in Visby die Nacht durchgemacht hätte. Das zweite Auto wurde von einer Schwangeren gefahren, und das dritte von einem Mann mit Pferdetransporter.«
»Kann er sich noch an die Fahrzeuge erinnern?«
»Das ist ja gerade so unglaublich. Er erinnert sich nicht nur an Farbe und Marke, sondern sogar an Teile der Autonummer. Er prägt sich jedenfalls immer die Buchstaben ein.«
»Wie originell. Der sollte zur Kriminalpolizei gehen«, sagte Karin lachend und vergaß ihre Verärgerung von vorhin. »Wie heißt er?«
»Bo Karlström, sechzig, kommt aus Fårösund.«
»Gut, hol ihn so schnell wie möglich her. Er kann den Täter gesehen haben. Und versuch, die Fahrgäste ausfindig zu machen. Wir müssen feststellen, was sie so früh am Morgen auf Fårö zu suchen hatten.«
A ls Emma Winarve ihren Wagen in eine Parklücke vor der Almedalsbibliothek lenkte, wollte ein Teil von ihr auf der Stelle kehrtmachen und geradewegs nach Hause fahren. Sie warf einen Blick in den Spiegel. Unter der oberflächlichen Sonnenbräune war ihr Gesicht blass, und sie hatte Tränensäcke unter den Augen. Scheißegal. Sie würde Elin Johan nur für eine Weile überlassen, während sie zum Zahnarzt ging. Kein Grund, sich aufzuregen.
Sie stieg aus und öffnete die Hecktür. Bugsierte den Buggy mit einer gewissen Mühe heraus,
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