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Sommerzeit

Titel: Sommerzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mari Jungstedt
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vor elf, bei der Bibliothek?«
    »Ja, kein Problem. Ich kann Pia in der Redaktion treffen, das ist nicht weit. Und dann fahren wir gleich nach Fårö weiter.«
    »Na gut.«
    In Gedanken ist er also schon auf dem Weg woandershin, dachte sie. Sie machte kehrt und lief los.
    Als er sie nicht mehr sehen konnte, kamen ihr die Tränen.

    A m Tag nach dem Mord lag Vendela Bovide noch immer im Krankenhaus in Visby. Karin meldete sich in der Rezeption an, lehnte es ab, Platz zu nehmen, und wartete, bis sie ins Zimmer der Patientin gelassen wurde. Der Anblick der jungen Witwe machte sie beklommen. Vendela Bovide saß mit einigen Kissen im Rücken aufrecht im Bett. Ihre Augen waren geschlossen, ihr Gesicht wirkte fast durchsichtig. Die Haare hingen matt und leblos in ihr Gesicht, ihr Nachthemd war zu groß, ihre Hände lagen gefaltet auf der Decke. Ihre Verzweiflung schien die Luft zu tränken.
    Karin grüßte, ohne Antwort zu erhalten, und sah sich unschlüssig um. In der einen Ecke stand ein Stuhl. Sie zog ihn vorsichtig heran und setzte sich neben das Bett.
    »Wo sind die Kinder?«, fragte Vendela Bovide mit schwacher Stimme.
    »Die sind bei Ihren Schwiegereltern.«
    »Wo denn?«
    »Die wohnen doch in Slite?«
    Karin rutschte unsicher auf ihrem Stuhl hin und her und spielte mit dem Gedanken, eine Krankenschwester herbeizurufen. Die Frau im Bett schien nicht ganz da zu
sein. Es waren kaum vierundzwanzig Stunden vergangen, seit sie erfahren hatte, dass ihr Mann ermordet worden war.
    Ihre Miene machte Karin Angst. In all ihren Jahren bei der Polizei hatte sie mit vielen Angehörigen gesprochen, deren Nächste verunglückt waren, aber niemals hatte sie eine solche zurückgehaltene, unterdrückte Verzweiflung erlebt wie bei dieser Frau hier im Bett. Diese Verzweiflung war so stark, dass sie Karin den Atem verschlug.
    Karin fühlte sich fehl am Platz, wollte die Flucht ergreifen, und die Frau gleichzeitig an sich ziehen und sie trösten. Einfach gerade auf einem Stuhl zu sitzen, kam ihr absurd vor.
    »Verzeihen Sie die Störung«, sagte sie schließlich. »Ich heiße Karin Jacobsson und leite die Ermittlung. Wir haben gestern miteinander telefoniert.«
    Vendela Bovide nickte, kaum merklich.
    »Ich möchte Ihnen als Erstes mein Beileid aussprechen. Sind Sie bereit, einige Fragen zu beantworten?«
    Schweigen.
    »Wissen Sie, um welche Uhrzeit Ihr Mann gestern Morgen losgegangen ist?«
    »Das war um fünf nach halb sechs.«
    »Woher können Sie das so genau wissen?«
    »Ich habe auf die Uhr geschaut, als er gegangen ist.«
    »Sie waren also wach, haben Sie mit ihm gesprochen, ehe er aufgebrochen ist?«
    »Ja.«
    »Was machte er für einen Eindruck?«
    »Wie immer.«
    »Wie denn?«
    »Fröhlich. Er wollte Frühstück machen, wenn er wieder
da wäre. Und Kaffee aufsetzen. Das war das Letzte, was er gesagt hat.«
    »Ist er morgens immer gelaufen?«
    »Ja, immer, das ganze Jahr hindurch.«
    »Ungefähr um dieselbe Zeit?«
    »Ja.«
    »Werktags und am Wochenende?«
    »Jeden Tag. Er war ein Gewohnheitsmensch, Peter liebte Beständigkeit.«
    »Wieso das?«
    »Weil er so unsicher war.«
    »Wissen Sie, warum?«
    »Nein, darüber hat er nie gesprochen.«
    »Aber gab es etwas, das ihm Sorgen gemacht hat?«
    »Ich glaube, schon.«
    Die Stimme versagte, und Vendela drehte den Kopf so, dass sie aus dem Fenster schauen konnte.
    »Was könnte das wohl gewesen sein?«
    »Ich weiß nicht, die Firma vielleicht.«
    »Warum hätte er sich darum Sorgen machen sollen?«
    »Es ist wohl nicht so leicht, eine Firma zu leiten…«
    »Sein Kompagnon, Johnny Ekwall, sagt, dass Ihr Mann sich verfolgt fühlte, was wissen Sie darüber?«
    Ein schwaches Zucken der einen Augenbraue.
    »Nichts. Verfolgt … nein, davon hat er nichts gesagt.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja.«
    »Und offenbar hat er im Büro anonyme Anrufe erhalten. Wissen Sie darüber etwas?«
    »Nein, auch darüber hat er nicht geredet.«
    »Haben bei Ihnen zu Hause Personen angerufen, von denen Sie nicht wussten, wer es war?«

    »Nein. Wir hatten mal solche Juxanrufe, aber das ist lange her.«
    Vendelas Hände fuhren nervös auf der Bettdecke hin und her.
    Entweder sprach sie die Wahrheit, oder sie wollte aus irgendeinem Grund nicht zugeben, dass ihr Mann geglaubt hatte, verfolgt zu werden. Vermutlich Letzteres, aber Karin beschloss, zu diesem Thema vorerst keine weiteren Fragen zu stellen.
    »Wie lief die Firma?«
    »Gut. Das hat er wenigstens gesagt.«
    »Okay. Aber Sie hatten keinen Einblick in

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