Sommerzeit
Bitte, melden Sie sich, wenn Ihnen noch etwas einfällt.«
Knutas bedankte sich für den Anruf.
Am späten Montagabend kam die Mitteilung, auf die Knutas gehofft hatte. Die estnischen Kollegen teilten mit, dass sie den Besitzer des weißen Lieferwagens, Ants Otsa, zusammen mit zwei anderen Männern in seiner Wohnung in der Innenstadt von Tallinn festgenommen hatten. Alle drei hatten sofort zugegeben, dass sie in Schweden für eine gotländische Firma namens Slite Bygg schwarzgearbeitet hatten. Die Zusammenarbeit mit der estnischen Polizei lief überraschend gut. Das Auslieferungsbegehren, das sonst immer Probleme machte, wurde reibungslos weitergeleitet. Am Dienstag sollten die drei nach Stockholm und dann weiter nach Gotland geflogen werden.
Knutas ließ sich im Sessel zurücksinken. Es war ein gutes Gefühl, dass die Männer, die vermutlich Vendela Bovide misshandelt und ihn in einen Schrank eingesperrt hatten, festgenommen worden waren. Und vielleicht war Peter Bovides Mörder darunter.
Dienstag, 18. Juli
D ie drei Esten trafen am Dienstag gleich nach der Mittagspause in Gewahrsam einiger estnischer Beamter auf der Wache ein. Außerdem war ein Dolmetscher dazubestellt worden.
Knutas konnte an dieser Vernehmung nicht teilnehmen, da er durch die Ereignisse auf Furillen als Geschädigter galt. Er sah die drei nur kurz, als sie in den Vernehmungsraum geführt wurden, und erkannte sie sofort. Eine Welle des Unbehagens durchlief ihn. Vielleicht hatte er größeren Schaden genommen, als ihm klar war.
Die Männer wurden als Ants Otsa, Andres Sula und Evald Kreem identifiziert. Sie wurden getrennt vernommen.
Karin und Wittberg begannen mit Ants Otsa, dem Besitzer des Lieferwagens.
Sie setzten sich in einen Vernehmungsraum unten im Haus. Der Beschuldigte auf der einen Seite, Karin auf der anderen. Wittberg saß als Vernehmungszeuge auf einem Stuhl weiter hinten im Raum. Ants war erst dreiundzwanzig Jahre alt und machte einen nervösen Eindruck. Sein Englisch war so gut, dass er keinen Dolmetscher brauchte.
»Wir haben nichts mit dem Mord an Peter zu tun.
Wirklich nichts, dass müssen Sie uns glauben«, sagte er eindringlich gleich zu Beginn der Vernehmung immer wieder.
»Ja, ja«, sagte Karin. »Ganz ruhig. Eins nach dem anderen.«
Sie schaltete das Tonbandgerät ein, stellte die üblichen Routinefragen, ließ sich dann im Sessel zurücksinken und musterte das verängstigte Gesicht des jungen Mannes, der ihr gegenübersaß. Er war blond und bleich und hatte eine gepiercte Zunge. Ein Priem beulte seine Oberlippe auf der einen Seite aus. Seine Augen waren hellblau und wässrig.
»Was machen Sie hier auf Gotland?«
»Ich bin Handwerker.«
»Illegal?«
»Wie meinen Sie das?«
»Haben Sie eine Arbeitserlaubnis?«
»Nein.«
»Wie lange sind Sie schon hier?«
»Ungefähr sechs Monate.«
»Arbeiten Sie nur für Slite Bygg?«
»Ja.«
»Erzählen Sie von dem Bau auf Furillen.«
»Warum?«
»Wie viele Leute arbeiten dort, zum Beispiel?«
Ants wich ihrem Blick aus.
»Ich weiß nicht, drei oder vier.«
»Na gut. Warum haben Sie das Haus ausgeräumt?«
Der junge Mann rutschte verlegen hin und her.
»Weil wir kein Geld bekommen haben. Wir haben zwei Monate lang Tag und Nacht geschuftet und keinen einzigen Cent erhalten.«
»Warum nicht?«
»Peter hat gesagt, sie würden alles bezahlen, aber dann hat er eben nicht mehr bezahlt.«
»Aber anfangs haben Sie Lohn bekommen?«
»Ja, da kam er alle zwei Wochen und zahlte uns den vereinbarten Lohn aus. Dann fing er an, Ärger zu machen.«
»Wissen Sie, warum?«
»Er hat gesagt, er wartete auf Geld, dass irgendwer noch nicht bezahlt hatte und dass wir bald unseren Lohn kriegen würden, aber das ist nicht passiert.«
»Hat immer Peter das Geld ausbezahlt?«
»Ja.«
»Wie denn?«
»Er kam auf die Baustelle.«
»Haben Sie Bargeld bekommen?«
»Ja.«
»Wie viel?«
»Zehn Euro die Stunde.«
»Aber jetzt haben Sie nichts mehr bekommen?«
»Nein, wir haben auf mehreren Baustellen für ihn gearbeitet, und er hatte uns seit zwei Monaten nicht mehr bezahlt.«
»Okay, kommen wir zurück zu dem Sonntag auf Furillen. Warum haben Sie Kommissar Knutas eingesperrt?«
»Es tut uns leid. Aber als wir gesehen haben, dass er Polizist ist, hatten wir Angst. Wir mussten zu unseren Familien nach Hause. Wir müssen Frauen und Kinder versorgen. Wir haben die Sachen im Haus als Lohn betrachtet.«
»Und die Misshandlung«, sagte Karin. »Wissen Sie etwas darüber, dass
Weitere Kostenlose Bücher