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Sommerzeit

Titel: Sommerzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mari Jungstedt
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haben wir es gut. Am liebsten würde ich auch morgen noch den ganzen Tag hierbleiben.«
    Vera trank ihr ebenfalls zu.
    »Ja, ich auch. Ich glaube, ich war noch nie an einem schöneren Ort.«

    »Und einem einsameren. Das hier ist wie ein Traum. Irgendwie unwirklich. Hier könnte man das ganze Leben verbringen.«
    Wieder schauten sie aufs Meer hinaus. In diesem Moment bog ein Segelboot um die Landspitze.

Donnerstag, 20. Juli

    J ohan spazierte durch die Gassen von Visby. Es war früher Abend, und viele Geschäfte schlossen gerade, während sich die Tische in den Restaurants rasch füllten. Unten am großen Markt blieb er bei einer Kneipe stehen, setzte sich und trank ein kaltes Bier. Manchmal genoss er die Einsamkeit wirklich. Niemand wollte etwas von ihm, er konnte einfach in sich ruhen. Seine Gedanken beschäftigten sich mit Emma, Elin und der Arbeit.
    Er trank den letzten Schluck und erhob sich. Ging weiter durch die Stadt. Die Spur von Bedrohung und Schwarzarbeit, die ihm und Pia anfangs so heiß erschienen war, erkaltete. Sie kamen ganz einfach nicht weiter. Die Information, dass die Polizei im Zusammenhang mit dem Mord nach einer russischen Waffe suchte, war an die Medien durchgesickert. Aber die Redaktion in Stockholm fand den Mord nicht mehr so interessant, jetzt standen andere Nachrichten im Vordergrund. Zehn Tage waren vergangen, für die Medien eine Ewigkeit. Da der Mörder kein zweites Mal zugeschlagen hatte, hatten die Sommergäste sich beruhigt, und das Leben verlief wieder normal. Die Campingplätze waren so ausgebucht wie immer. Dieser Sommer schien noch dazu einen Hitzerekord
zu liefern. Viele Touristen entschlossen sich erst in letzter Minute zu einem Aufenthalt auf Gotland, das galt vor allem für junge Leute. Im Moment konnte man an den beliebten Badestränden nach elf Uhr morgens kaum noch eine freie Stelle finden.
    Johan und Pia hatten sich über russische Staatsbürger informiert, die sich auf Gotland aufhielten, und versucht, herauszufinden, ob Peter Bovide möglicherweise Kontakte zu Russen gehabt haben könnte. Das Problem war, dass Grenfors in Stockholm sie immer wieder mit neuen Reportageaufträgen störte, die meisten davon waren mehr oder weniger unsinnig. Noch an diesem Morgen war es zu einem heftigen Streit gekommen, als der Redakteur von Pia und Johan verlangt hatte, nach Gerum zu fahren und einen Vater zu interviewen, dessen Sohn am Vortag an einer Vergiftung durch schwarz gebrannten Fusel gestorben war. Der Sohn war auf einem Fest gewesen und hatte eine Art Industriealkohol getrunken. Er war nach Hause gekommen, hatte sich hingelegt und war nicht wieder aufgewacht. Jetzt wollte der Vater über die Medien andere Menschen warnen. Johan hatte versucht, Grenfors klarzumachen, dass der Mann unter Schock stand und nicht ermessen konnte, welche Folgen so ein Fernsehauftritt hatte. Natürlich würden danach andere Medien einhaken und das Haus des Mannes mit Presseleuten überschwemmen. Für Grenfors reichte es, wenn jemand bereit war, sich interviewen zu lassen, weiter ging seine Verantwortung nicht, fand er. Johan war da anderer Ansicht. Sie waren im Laufe der Jahre ungezählte Male aneinandergeraten über die Frage, was innerhalb des Journalismus ethisch und moralisch vertretbar sei.
    Pia hatte sich Grenfors’ Meinung angeschlossen, man
könne den Vater ruhig interviewen, da der doch offenbar bereit war, sich den Medien zu stellen. Alle anderen machten das doch auch so, hatte sie behauptet.
    Johan zündete sich eine Zigarette an und hatte gerade erst zweimal daran gezogen, als er hinter der nördlichen Stadtmauerseite Strandgärdet passierte. Aus den Lautsprechern dröhnte Musik. Ein großes Fitnessstudio veranstaltete auf der weiten Rasenfläche eine tägliche Body-Pump-Runde unter freiem Himmel. An die hundert Personen bewegten sich im Takt. Die Abendsonne leuchtete über der gesundheitsbewussten Menge, und Johan kam sich vor wie ein durch und durch schlechter Mensch, als er an ihnen vorbeiging. Er spielte mit dem Gedanken, die Zigarette auszudrücken, tat es dann aber doch nicht.
    Wieder dachte er an den Vater, der seinen eben siebzehn Jahre alten Sohn verloren hatte. Dann gingen ihm die russischen Kohlentransporte durch den Kopf, die im Hafen von Slite gelöscht wurden. Dort wurde schwarz gebrannter Schnaps verkauft. Diese Spur hatte er fast vergessen. Und jetzt wussten sie, dass Peter Bovide mit einer russischen Waffe erschossen worden war. Eifrig wählte er Pias Nummer. Sie meldete

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