Sommerzeit
der sie anhielten.
Pia nahm ihre Kamera, und sie folgten einem noch schmaleren Weg in den Wald. Dann hatten sie den Steinbruch
erreicht. Er öffnete sich vor ihnen wie ein riesiger Kessel.
»Herrgott«, rief Pia. »Hast du so was schon mal gesehen?«
»Nein, noch nie.«
Die Aussicht war faszinierend und beängstigend zugleich.
Sie wagten sich näher an den Rand und sahen mehrere Streifenwagen und Menschen, die darumherumliefen. Sofort zogen sie sich in den Wald zurück, um nicht entdeckt zu werden.
»Was ist das da?«, fragte Pia und zeigte auf die andere Seite des Kessels.
»Keine Ahnung.« Johan kniff in der grellen Sonne die Augen zusammen. »Sieht aus wie eine kleine Hütte.«
Pia stellte ihr Stativ auf und fing an zu filmen. Sie nahm den gesamten Steinbruch auf und hielt das Bild dann bei der Hütte an.
»Aber was jetzt?«
»Was meinst du?«
Pia hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. Sie hielt die Kamera fest auf einen Punkt in der Ferne gerichtet. Johan bekam langsam Probleme mit der Hitze. Er sah nichts, das Motiv war zu weit entfernt. Als sie endlich fertig war, drehte sie sich um und lächelte vielsagend.
»Ich glaube, im Herbst werde ich einen Job bei Rapport haben. Nur, damit du’s weißt.«
K arin hatte Pech. Der Hubschrauber der Polizei war im Einsatz, und die Küstenwache führte gerade anderswo eine umfassende Übung durch. Die abzubrechen und sich nach Fårösund zu begeben, um Karin abzuholen, würde länger dauern, als wenn Karin einfach mit der regulären Fähre nach Gotska Sandön übersetzte. Die nächste ging bereits um halb drei an diesem Nachmittag. Jemand auf der Wache war vorausschauend genug, um Auskünfte über Morgan Larsson und sein Passbild zu faxen, ehe sie den Steinbruch verließ.
Als Knutas auf die Wache zurückkehrte, brodelte die vor Aktivität. Die Kollegen rannten zwischen den Zimmern hin und her und tauschten Informationen aus. Kihlgård kam ihm entgegen:
»Was um Himmels willen ist hier eigentlich los? Dieses sogenannte Sommerparadies ist ja das reine Sizilien!«
Diese Anspielung mochte übertrieben wirken, aber Knutas, der sich an nicht lange zurückliegende Morde erinnerte, bei denen sogar enthauptete Pferde vorgekommen waren, verstand Kihlgårds Assoziation. Er beschloss, keine Antwort zu geben, er zog seinen Kollegen
einfach am Arm, um ihn ins Besprechungszimmer zu bugsieren.
»Besprechung – Ermittlungsleitung – jetzt«, rief er, während er über den Gang lief. Trotz Stimmengewirr und Hektik schienen seine Worte die Wände zu durchdringen, denn nach einer knappen Minute hatten sich alle versammelt.
Außer Karin fehlte Erik Sohlmann, der sich weiterhin am Tatort aufhielt.
»Um 11.52 wurde in der Zentrale mitgeteilt, dass ein Mann in einer Holzhütte im größeren Steinbruch von Slite erschossen aufgefunden worden ist, der Bruch heißt Fila Hajdar und liegt sehr weit nach Westen«, sagte Knutas jetzt. »Der Mann wurde von zwei Personen entdeckt, die mit ihm zusammen eine Sprengung überwachen sollten. Er lag auf dem Boden der Sprenghütte und war in den Kopf geschossen worden. Und damit nicht genug. Er war auch im Bauch von einer größeren Anzahl von Schüssen getroffen worden. Genau wie Peter Bovide.«
»Wer ist das Opfer?«, fragte Smittenberg.
»Der Mann heißt Morgan Larsson. Er ist einundvierzig Jahre alt, unverheiratet, keine Kinder. Er war Sprengmeister und seit zwanzig Jahren in dieser Fabrik angestellt. Er wohnte in einer Wohnung mitten in Slite. Viel mehr wissen wir nicht. Außer, dass er ein Klassenkamerad von Erik Sohlman war.«
»Ach, die kennen sich also – wie gut?«, fragte Kihlgård.
»Nicht sehr gut, glaube ich. Erik ist jedenfalls noch immer dort draußen. Und wir haben erfahren, dass Morgan Larsson jetzt am Wochenende auf Gotska Sandön war. Karin fährt mit der Nachmittagsfähre rüber. Wir haben ein großes Gelände um den Steinbruch herum abgesperrt.
Der Wald weiter oben wird mit Hundestreifen durchsucht, und um Slite herum sind Straßensperren eingerichtet worden. Allem Anschein nach haben wir es mit demselben Mörder zu tun. Die Hülsen, die wir am Tatort gefunden haben, stimmen mit denen vom vorigen Mord überein, und Sohlman meint, dass sie aus derselben Waffe stammen, also dieser russischen Armeepistole aus den zwanziger Jahren.«
»Wer zum Henker nimmt bloß eine so alte Waffe?«, fragte Kihlgård. »Das ist doch die pure Antiquität.«
»Hört sich nicht nach einem Profi an, aber das passt doch zur
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