Somnambul Eliza (German Edition)
und bestellte eine Runde Bloody Mary
für alle, ohne nach den Wünschen der anderen zu fragen. Eliza warf einen Blick
zu Aurica hinüber, die ihr gegenüber saß und deren überschlagenen Beine so
krampfhaft verschlungen waren, wie ihre eignen. Valeriu und Laurin wirkten gleichermaßen wachsam, wenn sie sich auch beide Mühe gaben, ruhig und
gelassen zu erscheinen. Valerius Hand ruhte auf der Lehne von Elizas Sessel,
nur wenige Zentimeter von ihren Händen entfernt, die sie überkreuzt und etwas
verkrampft auf ihren Knien liegen hatte und die sich von der Anspannung und
Bewegungslosigkeit heiß und schweißfeucht anfühlten. Dann glitt Elizas Blick zu
den beiden Mädchen hinüber, die in unveränderter Haltung auf den Lehnen
verharrten. Sie glichen einander nahezu wie ein Ei dem anderen. Beide trugen
extrem kurze und hautenge Kleider mit sehr gewagtem Dekolletee und Schuhe,
hinter denen sich Elizas Manolos verstecken konnten
und in denen sie selbst allenfalls hätte sitzen können. Beide waren
offensichtlich keine Naturblondinen, sondern hatten mit Wasserstoff
nachgeholfen und nahmen es auch in Hinblick auf sonstige kosmetische oder
chirurgische Details mit der Natürlichkeit nicht allzu genau. In Lippen und
Busen hatten sie offenbar bereits investiert, der dümmliche Ausdruck ihrer
Augen und die Form der Nasen sollten vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt
korrigiert werden. René saß in lässiger Haltung zwischen ihnen wie ein
absolutistischer Fürst, ignorierte sie aber wie unbelebte Accessoires. Eliza
sah zu, wie er seinen Siegelring öffnete und etwas in sein Glas tropfen ließ,
doch es handelte sich wohl kaum um Gift, sondern sicherlich eher um irgendein
angesagtes Aufputschmittel. Dass René ein Freund der dramatischen Gesten war,
hatte sie ja bereits erleben dürfen. Natürlich zückte auch Valeriu sein
Fläschchen mit Sangre del dragón und Eliza musste ein wenig darüber schmunzeln, wie die Herren ihren Drink zu punchen pflegten. Aurica und Laurin rührten ihre Bloody Mary überhaupt nicht an und Eliza
nippte nur aus Höflichkeit an ihrem Glas, verschmähte den Cocktail dann aber
auch, weil sie wusste, dass eine Mischung aus verschiedenen Drinks bei ihr ganz
üble Kopfschmerzen verursachen würde. Dann kramte René ein Etui mit breiten
kubanischen Zigarren hervor und hielt es Valeriu und Laurin hin. Beide lehnten dankend ab, doch er selbst genehmigte sich eines dieser
rauchbaren Phallussymbole.
„Ich bin überrascht, zu sehen, dass du noch
immer in Wien weilst, Valeriu. So lange an einem Ort zu bleiben, sieht dir
nicht sehr ähnlich. Ist es die Liebe, die dich hier hält?“ fragte René mit
einem leicht unverschämten Blick auf Eliza.
Doch Valeriu ignorierte den zweiten Teil
von Renés Frage und antwortete knapp: „Du weißt, dass ich an vielen Orten zu
Hause bin. Aber zurzeit fühle ich mich in Wien sehr heimisch.“
„Das klingt aus deinem Mund doch schon
recht vielversprechend“, meinte René mit einem schalkhaften Grinsen, um dann
wieder seine Reptilienzunge aufzurollen.
Jetzt schaltete sich Aurica in das
Gespräch ein: „Wir alle fühlen uns in Wien wohl. Laurin und mir ist es schon vor langer Zeit zur Heimat geworden und ich kann nur
hoffen, dass auch Valeriu und Eliza unserer Donaumetropole nicht zu bald
überdrüssig werden.“
René ignorierte Aurica einfach. „Ich
nehme an, du handelst nach wie vor mit Blutkonserven?“, wollte er in einem
etwas abfälligen Ton von Laurin wissen, der sich
einer Stellungnahme entzog und nur knapp nickte.
Dann wandte sich René wieder Valeriu zu:
„Verdienst du dein Geld noch immer als Hotelier oder hast du deine Profession
mal wieder gewechselt?“
„Meine Geschäfte laufen ebenso gut, wie
deine. Ich sehe also momentan keinen Grund, mich umzuorientieren“, erklärte
Valeriu ruhig, aber ebenso reserviert, wie zuvor.
Eliza hatte bemerkt, dass René, während
er diese Fragen stellte, immer aufmerksam zwischen Valeriu und ihr hin und her
schaute und hatte allmählich den Eindruck, dass René das nur tat, um ihr zu
verstehen zu geben, welch unsteter Charakter Valeriu bisher gewesen war. Dann
stand René abrupt auf und alle anderen erhoben sich ebenfalls. Er
verabschiedete sich von jedem der vier mit Handschlag. Elizas Hand hielt er
deutlich länger als nötig fest und verschlang sie dabei förmlich mit seinen
Augen.
„Sie haben sich einen illustren
Bekanntenkreis ausgesucht. Geben Sie auf sich Acht, meine Teure. Und meiden Sie
dunkle Gassen“,
Weitere Kostenlose Bücher